Es ist geschafft: Am 22.7.2017 ist das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld (BGBl. I 2017, Nr. 48, Seite 2421 ff.) in Kraft getreten. Bei Unfällen mit Todesfolge, aber auch bei anderen Ereignissen, wie z.B. bei ärztlichen Behandlungsfehlern mit Todesfolge können die Hinterbliebenen eines getöteten Angehörigen jetzt unmittelbar vom Verursacher des Unfalls wegen ihres Schocks und ihrer Trauer ein angemessenes Schmerzensgeld verlangen, wenn der Schädiger rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hatte. Das ist nun in § 844 Abs. 3 n.F. BGB Gesetz geworden:
„(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.“
Das gab es in Deutschland noch nie: Während alle umliegenden EU-Mitgliedsstaaten schon lange ein pauschales Schock- bzw.Trauer- Schmerzensgeld gewährt haben (Intalien z.B. generell € 50.000,-), gab es in Deutschland Schmerzensgeld für nur mittelbar betroffene Personen (also Angehörige u.a.) nur, wenn diese physisch objektivierbare Auswirkungen der Trauer erlitten hatten, also etwa Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Depressionen. Diese Beschwerden mussten dargelegt und – bei Bestreiten durch den Versicherer des Unfallverursachers – auch bewiesen werden. Beweisen werden musste auch der Umstand, dass diese Symptome durch den Tod des Angehörigen verursacht wurden und nicht etwa anderweitig. Und nur wenn diseer Nachweis gelungen war, gab es ein bißchen was (Deutschland: „Indianer kennt keinen Schmerz“).
Meine persönliche Enschätzung
Das ist gut:
Seit dem 22.7.2017 brauchen die Hinterbliebenen diesen Nachweis physischer Beschwerden nicht mehr zu erbringen.
Das ist nicht gut:
Allerdings hat der Gesetzgeber erneut darauf verzichtet, eine angemessene Mindesthöhe vorzugeben. Das ist schade, denn die Höhe ist immer Geschmackssache des jeweils zuständigen Gerichts. Es ist also vorprogrammiert, dass es von Gericht zu Gericht in den ersten Jahren erhebliche Unterschiede geben wird. Dabei ist Trauer um einen nahen Angehörigen doch für alle Bundesbürger gleich schmerzlich, oder?
Das befürchte ich:
Jetzt geht das Geschachere mit den Rechtsschutzversicherungen wieder los, die ihre Deckungszusage – wie immer – nur für eine bestimmte, von ihnen selbst bewilligte Höhe des Schmerzensgeldes geben werden. Da die Gerichts- und Anwaltsgebühren von der Höhe des Schmerzensgeldes abhängen, waren die Rechtsschutzversicherungen (bis auf eine Ausnahme) immer sehr geizig. Und die Richter sagen: „Wenn Sie nicht mehr verlangen, kann ich Ihnen auch nicht mehr bewilligen“.
Wie ist Ihre Meinung dazu?