Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Impf-Nachweispflicht für Pflegepersonal (sog. „einrichtungs- und unternehmensbezogene Impfnachweispflicht“)

Mit seinem Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Einführung einer besonderen Impflicht für Ärzt+innen und Pflegepersonal durch die neu eingeführten Vorschriften der § 20a, § 22a und § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h des Infektionsschutzgesetzes (IfSG, früher: Bundesseuchengesetz) für verfassungsmäßig erklärt. Demnach sind bestimmte Einrichtungen und Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege ab sofort verpflichtet, den Gesundheitsämtern eine COVID-19- Schutzimpfung, eine Genesung von der COVID-19-Krankheit oder eine medizinische Kontraindikation gegen eine Impfung für ihr Personal nachzuweisen (sogenannte „einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“).

Auch wenn man einer generellen Impfpflicht grundsätzlich deutlich positiv gegenübersteht, wie die Verfasserin, muss man bei einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Beschluss zu dem Ergebnis kommen, dass das BVerfG bei seiner Überprüfung der Verhältnismäßigkeit dieser besonderen Impfpflicht deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben ist. Kritisch sieht die Verfasserin insbesondere

  • dass der Schutz der Patienten mit der Impfpflicht nur mäßig verbessert werden kann, Lücken sind also eingeplant,
  • dass die Impfrisiken nicht gegen den mäßigen Mehrwert abgewogen wurden, und
  • dass die Prüfung von PCR-Tests für ungeimpftes Personal als milderes Mittel bei gleichzeitig erheblich besserer Eignung zu oberflächlich vorgenommen wurde.

Sachverhalt:

Nach § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG müssen Personen, die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege tätig sind, seit Ablauf des 15. März 2022 der jeweiligen Einrichtungs- oder Unternehmensleitung einen Nachweis darüber vorlegen, vollständig gegen COVID-19 geimpft oder davon genesen zu sein. Ausgenommen sind nur Personen mit einer medizinischen Kontraindikation. Wird kein ordnungsgemäßer Nachweis vorgelegt, hat die Einrichtungs- oder Unternehmensleitung unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen. Dieses kann dann gegenüber den betroffenen Personen nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot verfügen.

Personen, die erst ab dem 16. März 2022 in den in § 20a IfSG genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden sollen, haben vor Beginn ihrer Tätigkeit einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Andernfalls dürfen sie dort weder beschäftigt noch tätig werden. Verschiedene Einzelregelungen des § 20a IfSG sind bußgeldbewehrt (vgl. § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h IfSG).

20a IfSG und die zugehörigen Bußgeldregelungen treten zum 1. Januar 2023 – also mitten in der nächsten Welle – wieder außer Kraft (wenn sie nicht verlängert werden!)

Begründung:

Das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, die angegriffenen Vorschriften verletzten die Beschwerdeführer+innen nicht unverhältnismäßig in ihren Rechten, insbesondere in ihren Freiheitsrechten aus Art. 2 Abs. 2, Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG. Die Verfassungsrichter+innen haben zwar durchaus gesehen, dass die Regelungen in die genannten Grundrechte eingreifen, und zwar durchaus auch erheblich; sie waren aber – sachverständig beraten – der Meinung, dass diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt seien, weil sie verhältnismäßig seien.

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 19 Abs. 4 GG. Demnach sind Grundrechtseingriffe stets darauf zu prüfen, ob sie

  • geeignet sind,
  • ein legitimes, d.h. verfassungsgemäßes Ziel des Staates zu erreichen,
  • und ob sie erforderlich sind, d.h. ob kein milderes Mittel mit gleicher Effizienz zur Verfügung steht.

Selbstverständlich sind auch die Wertigkeiten der betroffenen, sich gegenüberstehenden Werte und die Tiefe des Grundrechtseingriffs zu bewerten. Dabei darf z.B. der Kernbereich eines Grundrechts niemals angetastet werden. Das ist bei der Impfpflicht aber auch nicht der Fall.

Das Gericht hat eine Vielzahl von Sachverständigen Institutionen „angehört“, z.B.

  • das RKI – Rz. 50 ff,
  • das für die Zulassung und Sicherheit von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) (Rz 53 ff),
  • die Bundesärztekammer – Rz. 56ff,
  • die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung – Rz 58f,
  • die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi) und das Helmholtz-Institut für Infektionsforschung (HZI) – Rz 60f,
  • die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie – Rz 62,
  • die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) – Rz 64,
  • die Deutsche Gesellschaft für Virologie (GfV) – Rz. 65f,

Sämtliche Institutionen haben bestätigt, dass ältere Patienten mit und hne Vorerkrankungen besonders empfindlich und häufiger mit schweren Verläufen auf eine Infektion mit SARS-COV 19 reagieren als jüngere Menschen. Sie haben aber auch bestätigt, dass es trotz der Impfung zu einer Neu-Infektion mit einer – teils sogar hohen – Belastung mit Viren kommen kann, die Kontagiosität also durch die Impfung nicht ausgeschlossen wird. Allerdings sei der Zeitraum der Kontagiosität kürzer.

Keine Institution hat sich zur Gefahrenlage potenzieller Impfschäden für die Betroffenen geäußert. Es ist deshalb anzunehmen, dass eine entsprechende Frage auch gar nicht gestellt wurde.

Bei der Frage, ob inwieweit PCR-Tests ein gleich – oder sogar besser – geeignetes Mittel zur Verhinderung der Ansteckung sind, hat das Gericht sich des Weiteren ausschließlich auf die – relativ betagten – Feststellungen in der Gesetzesbegründung (BTDrucks. 20/188, S. 37) sowie auf ein Bulletin des RKI (Epidemiologisches Bulletin 17/21, S. 15) und 2 Lageberichte des RKI vom 2. und 9. Dezember 2021 zurückgezogen.

Das Gericht führt zu PCR-Tests als Alternative wörtlich aus:

Rz. 194:

„Insoweit sind PCR-Tests zwar zuverlässiger und zeigen eine Infektion bereits in einem früheren Infektionsstadium an. Verpflichtende PCR-Tests im Gesundheits-, Pflege- und Betreuungsbereich wären gleichwohl kein gleich geeignetes Mittel. So ist schon nicht gesichert, dass die hierfür notwendigen Testkapazitäten vorhanden sind. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (vgl. Wöchentliche Lageberichte vom 2. und 9. Dezember 2021, jeweils S. 27) arbeiteten die Labore schon bei Verabschiedung des Gesetzes teilweise an den Grenzen ihrer Auslastung. Dies ließ konkret besorgen, dass sie schon Anfang Dezember 2021 kaum mehr verlässlich eine zügige Testauswertung ermöglichen konnten.“

Rz. 195:

„Der Gesetzgeber durfte aber auch berücksichtigen, dass sich eingeschränkte und zunehmend angespannte Laborkapazitäten nachteilig auf andere Lebensbereiche auswirken können, in denen sich Personen testen lassen müssen. Ungeachtet dessen wären der zeitliche und organisatorische Aufwand sowie die Kosten von zwei bis drei wöchentlichen PCR-Tests immens, was – ebenso wie ein Ausbau der Testkapazitäten – mit einer erheblichen Belastung der Allgemeinheit einherginge. Der ganz überwiegenden Zahl der im Gesundheits-, Pflege- und Betreuungsbereich Tätigen könnten die entstehenden Kosten auch kaum auferlegt werden.“

und schließlich Rz. 196:

„Letztlich ist aber auch das Zeitfenster zwischen einer PCR-Testung und dem vorliegenden Testergebnis zu beachten. Denn die Dauer von der Infektion bis zum Beginn der eigenen Ansteckungsfähigkeit (Infektiosität) lässt sich nicht für jeden Einzelfall verlässlich bestimmen. Denkbar sind auch sehr kurze Intervalle bis zum Beginn der Ansteckungsfähigkeit, denn eine Ansteckung anderer Personen ist schon am Tag nach der eigenen Infektion oder sogar am selben Tag möglich (vgl. RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 26. November 2021). Daher kann eine Person selbst nach einer negativen PCR-Testung infektiös sein, weil sie sich jederzeit nach der Probenentnahme infizieren kann.“

Der Gesetzgeber habe damit im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums einen angemessenen Ausgleich zwischen den betroffenen Rechtsgütern gefunden. Trotz der hohen Eingriffsintensität müssen die grundrechtlich geschützten Interessen der im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Beschwerdeführer+innen letztlich zurücktreten, so das Bundesverfassungsgericht.

Wenngleich anzuerkennen ist, dass die Verfassungsrichter+innen auf 85 Seiten ein Lehrstück für die Abwägung von Grundrechtseingriffen abgeliefert haben, so sind sie bei der Ermittlung des Sachverhalts doch überraschend weit hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben.

Demnach beruht die Entscheidung vor allem darauf,

  1. dass mit PCR-Tests, die anerkanntermaßen eine höhere Sicherheit für die Patienten bieten, kein gleich oder besser geeignetes und weniger belastendes Mittel zur Verfügung steht,

und auf der Annahme,

  1. dass potenzielle Impfnebenwirkungen und Impfschäden als selten und grds. beherrschbar eingestuft wurden,

ad 1. – PCR-Tests als besser geeignetes Mittel

Das BVerfG hält PCR-Tests zwar auch für geeigneter, geht aber davon aus, dass die Laborkapazitäten nicht ausreichend zur Verfügung stehen und die Kosten im Übrigen unverhältnismäßig seien.

Der Umstand, dass PCR-Tests nicht als adäquate Alternative angesehen wurden, hätte aber einer weiteren Untersuchung bedurft:

  1. Zunächst enthält der Beschluss keinerlei Informationen darüber, wie hoch die vorhandenen Laborkapazitäten tatsächlich sind bzw. bei Verabschiedung des Gesetzes waren, und wie, bis wann und mit welchem Kostenaufwand sie ausgebaut werden könnten. Zum Zeit- und Kostenaufwand für den Ausbau der Laborkapazitäten sowie eventuelles Einsparpotenzial enthält der Beschluss keinerlei Informationen.
  2. Wenn andere Lebensbereiche, in denen diese Tests derzeit ebenfalls durchgeführt werden, eventuell vernachlässigt werden müssten, muss zunächst ermittelt werden, welche das sind, ob die Tests dort ebenso notwendig sind, welche Gefahren für die Allgemeinheit mit einem Wegfall konkret verbunden wären, ob man diese anders auffangen kann und ggfls., wie lange die Konkurrenzsituation andauern würde.
  3. Das Zeit-Gap zwischen Test und Testergebnis kann entschärft werden, wenn man die PCR-Tests jeweils NACH der Schicht durchführt, denn bis zum Beginn der neuen Schicht kann das Ergebnis bereits vorliegen, und die Gefahr, dass sich inzwischen eine kontagiöse Virenlast aufgebaut hat, scheint in dieser Zeit genauso hoch (bzw. niedrig) zu sein wie beim geimpften Personal. Den Vergleich zum geimpften Personal hat das Gericht insoweit versäumt.

Erst wenn zuverlässige Informationen hierzu vorliegen und die Effizienz von besser geeigneten Alternativ-Maßnahmen mit milderem Eingriff geprüft wurde, kann man den Grundrechtseingriff gegen das gesetzgeberische Ziel seriös abwägen.

Neu war für mich vor allem, dass das Gericht – soweit ersichtlich erstmalig – die Kostenbelastung eines besser geeigneten Mittels (PCR-Tests für das ungeimpfte Pflegepersonal) gegen den Grundrechtseingriff und die damit verbundenen Gefahren für die Gesundheit der Impfpflichtigen als höherwertig eingestuft hat.

Auch die Frage, bei wem die Kostenlast anfallen könnte, wurde nicht ausreichend geklärt. In Betracht kommt z.B. die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Diese hat nicht nur die Kosten für Unfallfolgen von Patienten in der Klinik zu decken, sondern auch die von Berufserkrankungen des Pflegepersonals und der Ärzt+innen. Es ist daher sachgerecht, ihr auch die Vermeidungskosten aufzuerlegen, zumal die Beiträge von den Einrichtungen bezahlt werden und die BGW nicht gerade an einer Knappheit von Mitteln leidet. Außerdem hätte eine Verteilung der Kostenlast auf die GKVen, die PKVen, den Fiskus und die BGW in Betracht gezogen werden können.

Da die Ansteckungsgefahr durch die Impfpflicht letztlich auch keinesfalls beseitigt, sondern nur reduziert wird, steht das Verhältnismäßigkeitsprinzip also nach wie vor in Frage.

ad 2. – Impfrisiken

Mit der Abwägung der Impfnebenwirkungen setzt sich der Beschluss zu Rzn. 222 – 227 auseinander. Das BVerfG hat sich dabei auf den Sicherheitsbericht des PEI vom 26.10.2021 verlassen. Demnach wurde nur bei 78 der im Zeitraum vom 27.12.2020 bis 30.09.2021 gemeldeten 1.919 Todesfall-Verdachtsmeldungen ein Zusammenhang mit der Impfung bescheinigt. Darauf und auf das Perikarditis- und Allergierisiko hätten die StIKO und die Ärzteverbände aber reagiert und die Impfempfehlung und die (Kontra-)Indikationskriterien entsprechend angepasst. Nicht erwähnt wurde, dass es keine Meldepflicht gibt, und die gemeldeten Fälle daher zufällig, nicht repräsentativ und schon gar nicht vollständig sind.

Das BVerfG führt dazu aus:

Rz. 227:

„Steht daher zu erwarten, dass solche von fachkundigen Stellen zeitnah nach entsprechenden Verdachtsmeldungen getroffenen Vorkehrungen die ohnehin geringen Impfrisiken noch weiter reduzieren, und ist zudem zu berücksichtigen, dass die im Verhältnis zur Gesamtzahl verabreichter Impfdosen bereits relativ geringe Melderate nicht die tatsächlich eingetretenen Impfrisiken abbildet, weil bei weitem nicht bei jeder Verdachtsmeldung ein Kausalzusammenhang mit der Impfung gesichert ist, kann davon ausgegangen werden, dass entsprechende Nebenwirkungen oder gravierende Folgen ganz überwiegend nicht eintreten. Dies schließt zwar nicht jede außergewöhnliche Impfreaktion aus, was auch der Gesetzgeber schon ausweislich von § 2 Nr. 11, §§ 60 ff. IfSG nicht in Abrede stellt. Bei der abwägungsgeleiteten Gegenüberstellung grundrechtlich geschützter Belange der von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG Betroffenen einerseits und der vulnerablen Personen andererseits ist es gleichwohl verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sondern vielmehr geboten, dass der Gesetzgeber nicht nur die Möglichkeit außergewöhnlicher Impfreaktionen und gravierender Folgen als solche einbezogen, sondern sich auch mit deren Wahrscheinlichkeit unter fortlaufender Beobachtung durch fachkundige Stellen wie dem Paul-Ehrlich-Institut befasst hat.“

Übersetzt heißt das nichts weniger als

„Auch um eine nur mittelmäßige Verbesserung des Schutzes der Patienten zu erreichen, müssen Ärzt+innen und Pflegepersonal sich einem Gesundheits-Risiko aussetzen oder ihren Beruf aufgeben, weil uns bessere Maßnahmen (PCR-Tests) zu aufwändig erscheinen.“

Thesen:

  1. Nach den Feststellungen des BVerfG kann auch nicht geimpftes Personal die Infektion an die Patienten weitergeben. Dies kann letztlich nur durch PCR-Tests vermieden werden. Das Gericht hat zur Frage der Kapazitäten und der Kosten aber keine Datenlage angefragt und ist pauschal davon ausgegangen, die Kosten seien unverhältnismäßig. Das hätte einer genaueren Untersuchung bedurft, insbesondere zu den Fragen
    • wie hoch die vorhandenen Laborkapazitäten tatsächlich sind,
    • bis wann und mit welchem Kostenaufwand sie ggfls. ausgebaut werden könnten,
    • ob man die Kosten zwischen den GKV’en, den PKV‘en, dem Fiskus und der BG aufteilen könnte,
    • welche anderen andere Lebensbereiche von PCR-Tests in der Zwischenzeit entlastet werden könnten,
    • u. a.

 

  1. Durch die Vernachlässigung der PCR-Tests als Alternative zur Vermeidung von Ansteckungen in den Pflegeeinrichtungen hat die Bundesregierung ihren Gestaltungsspielraum bei der Eingrenzung der Gefahr für die Patienten durch das ärztliche und Pflegepersonal bei weitem nicht ausgeschöpft, denn

 

  1. Das Verfassungsgericht hätte alle Möglichkeiten gehabt, zum Ausbau oder zur Umschichtung der Laborkapazitäten weitere Daten zu verlangen, hat es aber nicht. Das Verfassungsgericht ist in diesem Punkt also weit hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben. Ich persönlich hatte das Gericht bei Grundrechtseingriffen, die noch dazu mit nicht unerheblichen Gefahren für Leib und Leben der Betroffenen einhergehen können, als gründlicher in Erinnerung.

 

  1. Obwohl die Verfasserin als staatlich examinierte Krankenschwester Impfungen ausdrücklich befürwortet, ist die partielle Impfpflicht jedenfalls (noch) nicht grundrechtskonform gelungen; das Ziel, die Patienten ausreichend zu schützen, wird durch die partielle Impfpflicht allein mit Sicherheit verfehlt.

 

  1. Insbesondere, wenn man den Nebeneffekt einkalkuliert, dass bis zur Beendigung der Maßnahme am 31.12.2022 noch weniger Pflegepersonal am Krankenbett arbeiten wird, und weitere Menschen sich aus Enttäuschung aus dem Beruf zurückziehen wird, darf diese Maßnahme als kontraproduktiv und als politischer Aktionismus und Missgriff eingestuft werden.

Fazit für die Kliniken und Pflegeeinrichtungen:

Unabhängig von einer gesetzlichen Impfpflicht schulden die Kliniken ihren Patienten aus dem Behandlungsvertrag den bestmöglichen Schutz vor Ansteckung. Da der Einsatz von geimpftem Personal ohne PCR-Tests aber unstreitig nur mittelmäßigen Schutz bietet und durchaus Lücken lässt, reicht es möglicherweise vertragsrechtlich gar nicht aus, allein auf Impfung + Maske abzustellen. Aus dem Behandlungsvertrag folgt deshalb möglicherweise sowieso die Pflicht, tägliche PCR-Tests für alle, auch für das geimpfte Personal, anzuordnen. Es ist nicht sicher, ob der BGH in Haftungssachen allein die Kosten für solche Tests als ausreichend ansehen wird, Dispens zu erteilen und die Patienten weiterhin ganz bewusst einer nicht unerheblichen Gefahr der Ansteckung auszusetzen. Die Klinken sind deshalb gut beraten, sich Laborkapazitäten zu sichern; die Aufgabe der Kliniklobbyisten ist es, dafür zu sorgen, dass die Kosten hierfür gesetzlich den GKV’en und PKV‘en, dem Fiskus und/oder der BGW auferlegt oder unter allen aufgeteilt werden.

Das, und eine 5-jährige Befreiung von der Lohnsteuerpflicht (!), wären Ausdruck einer Anerkennung des Pflegeberufes und könnten – zusammen mit flexiblen Arbeitszeiten und fröhlichen Tages- und Nachteinrichtungen für die Kinder der Ärzt+innen, Schwestern und Pfleger – dafür sorgen, dass qualifiziertes ärztliches und Pflegepersonal wieder in die Kliniken zurückströmt und wieder Freude am Beruf entwickelt. Die Entscheidung des Gesetzgebers und der Beschluss des BVerfG tragen jedenfalls nicht dazu bei.

partielle Coronaimpfpflicht für das Personal in Pflegeeinrichtungen

Berlin, 08.12.2021 – Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Hauptausschusses des Deutschen Bundestages haben Sachverständige aller Richtungen heute eine (partielle) Impfpflicht für Angehörige der Gesundheitsberufe für verfassungsrechtlich und ethisch zulässig erachtet. Die Patienten zu schützen, stelle ein legitimes Ziel einer solchen Impfpflicht dar, meinte Prof. Anika Klafki von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena. Dem stimmten sowohl eine Bundesrichter zu als auch die Vorsitzende des Ethikrats.
Das Ergebnis der Anhörung im Hauptausschuss des Deutschen Bundestages ist daher – im Gegensatz zu einer generellen Impfpflicht – schon im Ansatz falsch, denn die partielle Impfpflicht ist völlig ungeeignet, um eine Übertragung des COVID-Virus vom Personal auf die sog. „vulnerablen Gruppen“ zu verhindern.
Dieses Ergebnis beruht deshalb auf einer überraschend unsauberen Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, bei der die Prüfung der Geeignetheit das zentrale Element der Untersuchung ist. Bei der Vorsitzenden des Ethikrates überrascht das nicht weiter; ethischerseits mag es genügen, dass die Maßnahme „gefühlt“ vertretbar erscheint. Aber sie sollte nach Möglichkeit verfassungsmäßig sein. Von einem Bundesrichter und einer Juraprofessorin erwartet man deshalb sauberes juristisches Handwerk: Während die Identifizierung des verfassungsmäßigen Ziels gerade noch gelungen erscheint, scheitert die Verhältnismäßigkeitsprüfung aber bereits an der Geeignetheit des ausgewählten Mittels. Die Impfung der „Wirts“ ist nach inzwischen einhelliger Meinung der Wissenschaftler gerade nicht geeignet, eine Übertragung des Virus auf andere Menschen zu verhindern, also gelingt der Schutz der besonders „vulnerablen“ Menschen durch die Impfung des Personals auch gar nicht. Darin unterscheidet sich die partielle Impfpflicht von der generellen Impfpflicht. Während man den Schutz der besonders vulnerablen Menschen NUR durch DEREN IMPFUNG herstellen kann (und natürlich durch konsequente Testung und Hygiene der Behandlerseite), hat die generelle Impfpflicht ein ganz anderes Ziel, nämlich die Sicherung der medizinischen Grundversorgung der Gesamtbevölkerung vor einer Überlastung der Kliniken und insbesondere der Intensivstationen. Dafür erscheint eine Durch-Impfung der Bevölkerung durchaus geeignet. Aber auch hier wird die Bevölkerung nicht als „Wirt“, also Überträger angesprochen, sondern als Empfänger des Virus.
Eine saubere Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer freiheitsbegrenzenden Maßnahme wie der Impfpflicht sähe demnach so aus:
Ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche Freiheit der Bürger+innen ist zwar gesetzlich zulässig; die Maßnahme muss aber korrekt gegen die gefährdeten Werte abgewogen werden (Stichwort „Verhältnismäßigkeit“). Der Prüfungs-Dreisatz lautet:
1. Ist das geschützte Recht zumindest gleichwertig, wenn nicht sogar höherwertig einzustufen als das einzuschränkende Grundrecht?
2. Ist der geplante Grundrechtseingriff überhaupt geeignet, das verfassungsmäßige Ziel zu erreichen?
3. Gibt es kein milderes Mittel bei gleicher Effizienz?
Bei der generellen Impfpflicht beginnen die Schwierigkeit bereits bei der Frage, welches Ziel überhaupt erreicht werden soll: Der Schutz jedes Bürgers vor einer Infektion ist es jedenfalls nicht, denn dafür ist der Staat nicht zuständig. Es kann aber z.B. um die Vermeidung von Massensterben gehen (wie etwa bei der Pockenepidemie; davon sind wir in der COVID-19-Pandemie allerdings noch weit entfernt) oder um die Vermeidung massenhafter Belegung der Intensivbetten und – damit verbunden – den Kollaps der medizinischen Grundversorgung. Da die Wissenschaft sich auch darüber einig ist, dass sich letztlich jeder Bürger infizieren wird, ob geimpft oder nicht, könnte das Zwischenziel – wenn man die Intensivbetten wegen des Personalmangels halt nun mal nicht beliebig aufstocken kann – also z.B. lauten „Schnellst- und bestmögliche Immunisierung des größten Teils der Bevölkerung“ oder / und die „Verlangsamung der Durchseuchung der Bevölkerung“.
Die Frage ist sodann, ob die generelle Impfpflicht als Maßnahme geeignet ist, massenhafte schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden. Das ist wissenschaftlich allerdings inzwischen erwiesen. Diese Frage kann hier – im Gegensatz zur partiellen Impfpflicht – also positiv beantwortet werden.
Damit kommen wir zur Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, d.h. zur Auswahl des mildesten Mittels bei gleicher Eignung: Zur Eingrenzung bzw. Verlangsamung der Durchseuchung kommen mehrere Mittel in Betracht: Kontaktsperren, örtliche bzw. regionale Lockdowns bis hin zum bundesweiten Lockdown, strenge Hygienemaßnahmen (Desinfektion, Maske, Abstand), Abluftsysteme in sämtlichen öffentlich zugänglichen Innenräumen installieren, ständig und konsequent testen und die positiv Getesteten sofort isolieren, und natürlich – die Impfung.
Die Frage ist jetzt, ob und unter welchen Umständen die anderen Mittel gleich geeignet sind, die Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, und ob sie ggfls. milder sind als die Impfpflicht.
– Die meisten Mittel, wie z.B. strenge Hygieneauflagen und Abluftsysteme, haben sich tatsächlich als nicht geeignet erwiesen, weil es an der Disziplin der Menschen und an Ressourcen mangelt (Bsp. Abluftsysteme in Schulen).
– Der T(eil-)Lockdown kommt meistens zu spät und ist daher nur unzureichend geeignet, um „die Welle“ zu verlangsamen. Wer diese Frage dennoch mit „gleich geeignet“ beantwortet, muss anschließend aber noch prüfen, ob er in der erforderlichen Konsequenz überhaupt ein milderer Grundrechtseingriff ist als die Impfpflicht. Dabei müssen nicht nur das Grundrecht auf persönliche Entscheidungsfreiheit betrachtet werden, sondern auch das Recht der Kinder und Jugendlichen auf Schul- und Ausbildung, die Berufsausübungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Religionsausübungsfreiheit, die Freiheit des Eigentums mit dem Recht an dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und so weiter. Die Menge, die Tiefe und die Dauer der Grundrechtsverletzungen führen dann zwingend zu dem Ergebnis, dass ein Teil-Lockdown gegenüber der Impfpflicht der schwerere Grundrechtseingriff ist.
– Die Testpflicht mit konsequenter Isolierung ad hoc (d.h. die positiv Getesteten bleiben in einer Dekontaminierungs-Einheit im Testzelt und werden mit speziell eingerichteten Seuchenfahrzeugen in die Quarantäne verbracht!) ist in der erforderlichen Dichte und Konsequenz unrealistisch und kommt am Ehesten bei örtlich gut einzugrenzendem Infektionsgeschehen in Betracht (Bsp.: der Pockenausbruch 1962 in Monschau). Die Einhaltung der Testpflicht ist bundesweit im Übrigen nicht mit genügender Sicherheit zu kontrollieren. Somit ist die Testpflicht mit anschließender Isolierung nicht annähernd ein gleich geeignetes Mittel wie die Impfung. Die Frage, ob es ein milderes Mittel wäre, stellt sich somit gar nicht.
Im Ergebnis stellt sich daher die generelle Impfpflicht tatsächlich als das mildeste geeignete Mittel heraus, um das verfassungsmäßig gebotene Ziel, die Grundversorgung der gesamten Bevölkerung aufrecht zu erhalten, sicher zu stellen.
Bei der partiellen Impfpflicht sollen dagegen nur diejenigen zur Impfung verpflichtet werden, die mit den sog. „vulnerablen Gruppen“ engen Kontakt haben müssen, also z.B. Ärzt+innen, Krankenschwestern, Altenpflegerinnen etc. in entsprechenden Einrichtungen (wieso eigentlich nur in den Einrichtungen?). Hier ist das Ziel der Maßnahme nicht primär die Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung, sondern der Gesundheitsschutz der besonders anfälligen Patienten. Auch das kann in besonderen Fällen eine verfassungsmäßige Aufgabe des Bundes sein. Das könnte z.B. als Auflage für die Betriebserlaubnis formuliert werden. Einfacher für die Betreiber der Einrichtungen ist es aber natürlich, wenn das Personal der Normadressat ist, weil dann der Staat für die Durchsetzung sorgt. Mittelbar würden diese besonders anfälligen Personen natürlich auch die Intensivstationen füllen, wenn sie weiterhin besonders anfällig bleiben für schwere Verläufe, obwohl sie geimpft sind. Wenn das so ist, dann ist die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung auch in Gefahr. Dafür ist der Bund wiederum zuständig. Das Ziel müsste hier also lauten „Vermeidung der Übertragung des Virus auf besonders gefährdete Menschen“ und wäre als Zielbeschreibung sicher auch verfassungsgemäß.
Die Prüfung der Geeignetheit ist hier aber schon schwieriger. Es ist bekannt und wissenschaftlich erwiesen, dass die Impfung gar nicht geeignet ist, die Übertragung des Virus auf Einzelpersonen zu verhindern. Sie ist ausschließlich geeignet, schwere Krankheitsverläufe bei den GEIMPFTEN zu verhindern.
Was jetzt?
Geeignete Maßnahmen sind aber – und zwar ausschließlich
– die Impfung und konsequente Auffrischungsimpfung der vulnerablen Gruppen selbst und
– konsequente Einhaltung von Hygienemaßnahmen und tägliche Tests des ärztlichen sowie des Pflege- und Betreuungspersonals.
Ob das Pflege- und Betreuungspersonal selbst geimpft ist oder nicht, ist dagegen völlig irrelevant.
Etwas anderes ergibt sich nur, wenn die Wissenschaftler herausfinden, dass auch die Impfung des „Wirts“ eine Übertragung des Virus auf Dritte erheblich erschwert. Dann muss die Prüfung unter diesem Aspekt wiederholt werden.

Bonn, den 08.12.2021 / B. Brenner

Insolvenz von Selbständigen wegen COVID? Zügige Restschuldbefreiung weiterhin nur durch Insolvenzplan möglich

In aller Eile hat der Deutsche Bundestag zum 01.01.2021 etliche Gesetze in Kraft gesetzt, mit der das Insolvenzverfahren in Deutschland erheblich verändert wurde. Dazu gehörte – ganz unabhängig von der COVID-Pandemie – das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens vom 20.12.2020. Mit diesem Gesetz werden Personen, die sich verschuldet haben, binnen 3 Jahren nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens von sämtlichen Verbindlichkeiten befreit. Damit hat der Gesetzgeber die europäische Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU-RiLi 2019/1023) umgesetzt. Die Regelungen zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens gelten in Deutschland nicht nur für unternehmerisch tätige Schuldner, sondern, wie von der Richtlinie empfohlen, auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Das war zunächst unstritten und sollte nur für ein paar Jahre probehalber gelten. Diese Befristung für Verbraucherinnen und Verbraucher, die die Bundesregierung einbauen wollte, hat der Bundestag aber nicht übernommen, so dass jetzt alle natürlichen Personen in den Genuß dieser Regelung kommen.

Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre tritt  auch ohne irgendeine finanzielle Beteiligung des Schuldners ein, und zwar  rückwirkend auch für alle Insolvenzverfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Damit können auch diejenigen Personen bei einem wirtschaftlichen Neuanfang unterstützt werden, die noch im 4. Quartal 2020 durch die Covid-19-Pandemie einen Insolvenzantrag stellen mussten. Für Insolvenzverfahren, die zwischen dem 17. Dezember 2019 und dem 30. September 2020 (einschl.) beantragt wurden, wird das derzeit sechsjährige Verfahren monatsweise verkürzt.

Anders als bislang ist es für eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren jetzt nicht mehr notwendig, dass die Personen Tilgungs- und Kostenbeiträge leisten. D.h.: auch wer seinen Gläubigern gar nichts mehr anbieten kann, ist 3 Jahre nach der Eröffnung von allen Schulden befreit. Allerdings müssen Schuldnerinnen und Schuldner auch weiterhin bestimmten Pflichten und Obliegenheiten nachkommen, um eine Restschuldbefreiung erlangen zu können, z.B. einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine solche bemühen. Selbständige können weiterhin selbständig bleiben, sie müssen in der sog. Wohlverhaltensphase lediglich den Beitrag leisten, der dem pfändbaren Anteil eines entsprechenden Angestelltengehalts entspricht. Alle darüber hinausgehenden Gewinne dürfen sie behalten.

Mit dem neuen Gesetz soll verschuldeten Personen ein schnellerer Neuanfang ermöglicht werden. Das ist natürlich interessant für alle Selbständigen, ob Handwerker, Eventveranstalter, Boutiquebesitzerin, Arzt oder Zahnarzt: „Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre nach der Eröffnung des Verfahrens, statt wie bisher sechs Jahre, sorgt dafür, dass Betroffene schneller wieder aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können“, so das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz.

IST das so?

Die Wohlverhaltensphase beginnt erst, wenn das Insolvenzverfahren beendet ist. Das Verfahren selbst ist nach wie vor problematisch, weil hier das gesamte Vermögen des Schuldners verwertet wird. Bis dato waren die Betriebsmittel von Selbständigen, also alles, was der selbständige Unternehmer/Handwerker für seine Erwerbstätigkeit benötigt, von der Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters ausgenommen (§§ 36 InsO, 811 ZPO). Davon sind landwirtschaftliche Betriebe und Apotheken allerdings leider ausgenommen. Den Landwirten und Apothekern kann im Insolvenzverfahren deshalb der gesamte Betrieb bis zu letzten Heugabel / bis zur letzten Pipette unter den Händen wegverkauft werden. Eine selbständige Erwerbstätigkeit wird diesen Unternehmern durch das Insolvenzverfahren somit abgeschnitten. Warum gerade diesen Berufsgruppen die Existenzgrundlage entzogen werden muss, bleibt rätselhaft. Apothekern ist es sogar gesetzlich verboten, die Apotheke im Insolvenzverfahren überhaupt weiter zu betreiben (§ 7 Apothekengesetz) – die Aufsicht der Insolvenzverwalter ist bei Apothekern offenbar besonders gefährlich! Das ist schon heute verfassungsrechtlich höchst bedenklich, denn die notwendigen Betriebsmittel dienen der Existenzsicherung und werden dem Kernbereich der Berufsausübungsfreiheit zugeordnet. Die Bundesregierung (in Person des Justizinisteriums) setzt jetzt aber noch einen drauf, indem sie diese verfassungswidrige Praxis nach Art. 1 des Gesetzentwurfs des Justizministeriums zum Gerichtsvollzieherschutzgesetz (GvSchG) demnächst auf alle Berufsgruppen ausdehnen will. Der Schraubenzieher des Installateurs, das Fahrrad des Fahrradboten, der Hammer des Hufschmieds, der Behandlungsstuhl des Zahnarztes und das Stethoskop des Arztes, alles soll dem Insolvenzverwalter künftig uneingeschränkt zur Verwertung zugewiesen werden. Was bisher nur wildgewordene Insolvenzverwalter dem Freiberufler nach Gutsherrn-Manier eigenmächtig und rechtswidrig angetan haben, wird also jetzt Gesetz werden. Das geht selbst der Insolvenzverwaltervereinigung VID zu weit, die das in ihrer Stellungnahme mit einer Deutlichkeit, die man ihr nicht zugetraut hätte, abgelehnt haben. Für einen einfacheren Neustart, den dasselbe  Ministerium den verschuldeten Menschen durch den vorgerichtlichen Insolvenzplan (StaRuG) gerade erst eröffnet hat, ist das natürlich Gift. Da weiß die eine Abteilung im Justizministerium offenbar mal wieder nicht, was die andere macht, und geht blind in deren Gefilden wildern. Der Insolvenzverwalter kann den Betrieb natürlich auch freigeben (§ 35 Abs. 2 InsO). Das wird er aber nur tun, wenn und solange der Betrieb unlukrativ ist. Nun gut, das kriegt man hin. Allerdings hat er demnächst die Hand auf den Betriebsmitteln und ist somit in der besseren Verhandlungsposition. Gut, wer reiche (und hilfsbereite!) Verwandtschaft hat.

Fazit:

Die Restschuldbefreiung wird auf 3 Jahre verkürzt, aber das Unternehmen wird zerschlagen!

Es bleibt also dabei: Für Freiberufler und Unternehmer ist deshalb nach wie vor der Insolvenzplan die einzige Option, denn nur durch das Insolvenzplanverfahren (und geeignete Anträge) kann das Unternehmen dem Verwertungszugriff des Insolvenzverwalters entzogen werden. Außerdem sind bereits am Tag der Abstimmung sämtliche Verbindlichkeiten dauerhaft „vom Tisch“, d.h. die Restschuldbefreiung tritt erheblich früher ein. Dafür muss man also weder nach England noch nach Frankreich noch nach Österreich ausweichen. Das timing hängt ausschließlich von der guten Vorbereitung ab und ansonsten nur noch von der Terminslage bei Gericht, d.h. derzeit binnen ca. 9 Monaten. Bekommt man ein schriftliches Abstimmungsverfahren hin, geht es sogar noch schneller.

Ein Insolvenzplan ist zwar recht teuer, aber effizient, schnell und vor allem – sicher!

Mit der Gestaltung von Insolvenzplänen und der Vorbesprechung mit dem Gericht wird meine Kanzlei gerne betraut. Bei der betriebwirtschaftlichen Sanierung im Rahmen des Insolvenzplans wird die Kanzlei unterstützt von dem Sachverständigen, Herrn Dipl. Kfm. Jens Jäger https://www.svk-jaeger.de/ueber-uns/ und von der Fa. Aton advisors https://www.aton-advisors.de/d