StaRUG – ein außergerichtliches Restrukturierungsverfahren für KMU?

Der Gesetzgeber hatte in § 16 StaRUG angeordnet, dass das BMJ eine Checkliste für Restrukturierungspläne zu erarbeiten und bekannt zu machen hat, welche an die Bedürfnisse von KMU angepasst ist (gemeint waren freilich wieder einmal KMU als Schuldner und nicht als Gläubiger). Diese Checkliste wird dann auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht werden.

Warum sollten Sie sich damit befassen?
Beim Auslaufen der Corona-Hilfen und immer dann, wenn die Konjunktur wieder anzieht, sind etliche Insolvenzen zu erwarten. Nach der Corona-Pandemie werden es vor allem KMU sein, die am Ende der Liquidität angekommen sind, aber Waren ordern und Personal einstellen müssen. Es kann daher durchaus sinnvoll sein, diesen KMU durch schlanke außergerichtliche Schuldenerlass-Pläne zu helfen, am Markt bestehen zu bleiben. Denn durch jede Abwicklungs-Insolvenz geht nicht nur ein Kunde verloren, sondern auch ein Absatzweg.

Die Checkliste des BMJ soll möglichst alle Anforderungen enthalten, die von Gesetzes wegen an einen solchen Restrukturierungsplan gestellt sind. Da über die Restrukturierungspläne, die auf dieser Basis aufgestellt wurden, das Restrukturierungsgericht zu entscheiden haben wird, soll diese Checkliste eine gewisse Rechtssicherheit vermitteln.

Die Checkliste wird freilich nach wie vor keine Aussage über Art und Tiefe der Finanzplanung oder der Vergleichsrechnung mit einem gerichtlichen Insolvenzverfahrens enthalten. Hier spielt aber natürlich die Musik, insbesondere wenn es um die Nachhaltigkeit der Sanierung des Kunden und um die Kosten eines solchen außergerichtlichen Planverfahrens geht (vom Stellenabbau bis zu den Beraterkosten). Je höher die Anforderungen an Inhalt und Umfang der Sanierungspläne sind, desto teurer wird es natürlich. Und dann wird es für KMU schnell unerreichbar und für die Geschäftspartner/Gläubiger zu aufwändig und damit uninteressant.

Das BMJ hat zwischenzeitlich selbst (!?) eine Checkliste entworfen, die als Entscheidungsgrundlage dienen soll, und hat diese den Verbänden zur Stellungnahme übersandt. Sie ähnelt auffallend dem Muster-Inhalt von Insolvenzplänen, ABER:

VORSICHT bei Kreditsicherheiten:
In einem außergerichtlichen Restrukturierungsverfahren dürfen die (nicht besicherten) Gläubiger allein über einen Eingriff in die dinglichen Kreditsicherheiten anderer Gläubiger (verlängerter Eigentumsvorbehalt, Sicherungszession von Forderungen, Sicherungsübereignung von Warenlägern, das Spediteurpfandrecht, Immobiliarsicherheiten…) abstimmen (§ 2 Abs. 1 Ziff. 2 StaRUG, s.u.)! Diese Kreditsicherheiten, die ausschließlich dafür kreiert wurden, in dieser Situation ihre Wirkung zu entfalten, können also im Nachhinein vollständig entwertet werden. Gegen die Abwertung ihrer Sicherheiten können die Gläubiger sich gegenüber dem Gericht zwar wehren; das bedeutet aber immer Aufwand: Personalbindung, Anwaltskosten. Im gerichtlichen Insolvenzplanverfahren wäre das nicht zulässig: Hier wird die Zustimmung des betroffenen Gläubigers vorausgesetzt und seine Zustimmungserklärung ist dem Insolvenzplan beizufügen (§ 228 InsO, s.u.). Das ist vielen Insolvenzverwaltern und Planberatern freilich nicht sehr geläufig, und den Gerichten, die den Plan ablehnen müssten, allzu häufig leider auch nicht. Auch hier ist also Aufwand erforderlich, aber der lohnt sich.

Gläubigerverbände, Lieferanten und Industrie können auf die Gestaltung und die Inhalte der Checkliste jetzt nochmal Einfluss nehmen. Das Ziel ist:
– schlank
– machbar
– zügig
und
– für Gläubiger und Gerichte einfacher nachprüfbar!

Deadline für die Einreichung der Stellungnahme beim BMJ ist der 11. März 2022.

Bonn, den 17.02.2022
B. Brenner
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§ 2 StaRUG – Gestaltbare Rechtsverhältnisse
(1) Auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans können gestaltet werden:
1. …
2. die an Gegenständen des Schuldnerischen Vermögens bestehenden Rechte, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Absonderung berechtigen würden, es sei denn, es handelt sich bei ihnen um Finanzsicherheiten iSd § 1 Abs. 17 KWG…“

§ 228 InsO – Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse
Sollen Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden, so können die erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten in den gestaltenden Teil des Insolvenzplans aufgenommen werden. …“

Insolvenz von Selbständigen wegen COVID? Zügige Restschuldbefreiung weiterhin nur durch Insolvenzplan möglich

In aller Eile hat der Deutsche Bundestag zum 01.01.2021 etliche Gesetze in Kraft gesetzt, mit der das Insolvenzverfahren in Deutschland erheblich verändert wurde. Dazu gehörte – ganz unabhängig von der COVID-Pandemie – das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens vom 20.12.2020. Mit diesem Gesetz werden Personen, die sich verschuldet haben, binnen 3 Jahren nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens von sämtlichen Verbindlichkeiten befreit. Damit hat der Gesetzgeber die europäische Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie (EU-RiLi 2019/1023) umgesetzt. Die Regelungen zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens gelten in Deutschland nicht nur für unternehmerisch tätige Schuldner, sondern, wie von der Richtlinie empfohlen, auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Das war zunächst unstritten und sollte nur für ein paar Jahre probehalber gelten. Diese Befristung für Verbraucherinnen und Verbraucher, die die Bundesregierung einbauen wollte, hat der Bundestag aber nicht übernommen, so dass jetzt alle natürlichen Personen in den Genuß dieser Regelung kommen.

Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre tritt  auch ohne irgendeine finanzielle Beteiligung des Schuldners ein, und zwar  rückwirkend auch für alle Insolvenzverfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Damit können auch diejenigen Personen bei einem wirtschaftlichen Neuanfang unterstützt werden, die noch im 4. Quartal 2020 durch die Covid-19-Pandemie einen Insolvenzantrag stellen mussten. Für Insolvenzverfahren, die zwischen dem 17. Dezember 2019 und dem 30. September 2020 (einschl.) beantragt wurden, wird das derzeit sechsjährige Verfahren monatsweise verkürzt.

Anders als bislang ist es für eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren jetzt nicht mehr notwendig, dass die Personen Tilgungs- und Kostenbeiträge leisten. D.h.: auch wer seinen Gläubigern gar nichts mehr anbieten kann, ist 3 Jahre nach der Eröffnung von allen Schulden befreit. Allerdings müssen Schuldnerinnen und Schuldner auch weiterhin bestimmten Pflichten und Obliegenheiten nachkommen, um eine Restschuldbefreiung erlangen zu können, z.B. einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine solche bemühen. Selbständige können weiterhin selbständig bleiben, sie müssen in der sog. Wohlverhaltensphase lediglich den Beitrag leisten, der dem pfändbaren Anteil eines entsprechenden Angestelltengehalts entspricht. Alle darüber hinausgehenden Gewinne dürfen sie behalten.

Mit dem neuen Gesetz soll verschuldeten Personen ein schnellerer Neuanfang ermöglicht werden. Das ist natürlich interessant für alle Selbständigen, ob Handwerker, Eventveranstalter, Boutiquebesitzerin, Arzt oder Zahnarzt: „Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre nach der Eröffnung des Verfahrens, statt wie bisher sechs Jahre, sorgt dafür, dass Betroffene schneller wieder aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können“, so das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz.

IST das so?

Die Wohlverhaltensphase beginnt erst, wenn das Insolvenzverfahren beendet ist. Das Verfahren selbst ist nach wie vor problematisch, weil hier das gesamte Vermögen des Schuldners verwertet wird. Bis dato waren die Betriebsmittel von Selbständigen, also alles, was der selbständige Unternehmer/Handwerker für seine Erwerbstätigkeit benötigt, von der Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters ausgenommen (§§ 36 InsO, 811 ZPO). Davon sind landwirtschaftliche Betriebe und Apotheken allerdings leider ausgenommen. Den Landwirten und Apothekern kann im Insolvenzverfahren deshalb der gesamte Betrieb bis zu letzten Heugabel / bis zur letzten Pipette unter den Händen wegverkauft werden. Eine selbständige Erwerbstätigkeit wird diesen Unternehmern durch das Insolvenzverfahren somit abgeschnitten. Warum gerade diesen Berufsgruppen die Existenzgrundlage entzogen werden muss, bleibt rätselhaft. Apothekern ist es sogar gesetzlich verboten, die Apotheke im Insolvenzverfahren überhaupt weiter zu betreiben (§ 7 Apothekengesetz) – die Aufsicht der Insolvenzverwalter ist bei Apothekern offenbar besonders gefährlich! Das ist schon heute verfassungsrechtlich höchst bedenklich, denn die notwendigen Betriebsmittel dienen der Existenzsicherung und werden dem Kernbereich der Berufsausübungsfreiheit zugeordnet. Die Bundesregierung (in Person des Justizinisteriums) setzt jetzt aber noch einen drauf, indem sie diese verfassungswidrige Praxis nach Art. 1 des Gesetzentwurfs des Justizministeriums zum Gerichtsvollzieherschutzgesetz (GvSchG) demnächst auf alle Berufsgruppen ausdehnen will. Der Schraubenzieher des Installateurs, das Fahrrad des Fahrradboten, der Hammer des Hufschmieds, der Behandlungsstuhl des Zahnarztes und das Stethoskop des Arztes, alles soll dem Insolvenzverwalter künftig uneingeschränkt zur Verwertung zugewiesen werden. Was bisher nur wildgewordene Insolvenzverwalter dem Freiberufler nach Gutsherrn-Manier eigenmächtig und rechtswidrig angetan haben, wird also jetzt Gesetz werden. Das geht selbst der Insolvenzverwaltervereinigung VID zu weit, die das in ihrer Stellungnahme mit einer Deutlichkeit, die man ihr nicht zugetraut hätte, abgelehnt haben. Für einen einfacheren Neustart, den dasselbe  Ministerium den verschuldeten Menschen durch den vorgerichtlichen Insolvenzplan (StaRuG) gerade erst eröffnet hat, ist das natürlich Gift. Da weiß die eine Abteilung im Justizministerium offenbar mal wieder nicht, was die andere macht, und geht blind in deren Gefilden wildern. Der Insolvenzverwalter kann den Betrieb natürlich auch freigeben (§ 35 Abs. 2 InsO). Das wird er aber nur tun, wenn und solange der Betrieb unlukrativ ist. Nun gut, das kriegt man hin. Allerdings hat er demnächst die Hand auf den Betriebsmitteln und ist somit in der besseren Verhandlungsposition. Gut, wer reiche (und hilfsbereite!) Verwandtschaft hat.

Fazit:

Die Restschuldbefreiung wird auf 3 Jahre verkürzt, aber das Unternehmen wird zerschlagen!

Es bleibt also dabei: Für Freiberufler und Unternehmer ist deshalb nach wie vor der Insolvenzplan die einzige Option, denn nur durch das Insolvenzplanverfahren (und geeignete Anträge) kann das Unternehmen dem Verwertungszugriff des Insolvenzverwalters entzogen werden. Außerdem sind bereits am Tag der Abstimmung sämtliche Verbindlichkeiten dauerhaft „vom Tisch“, d.h. die Restschuldbefreiung tritt erheblich früher ein. Dafür muss man also weder nach England noch nach Frankreich noch nach Österreich ausweichen. Das timing hängt ausschließlich von der guten Vorbereitung ab und ansonsten nur noch von der Terminslage bei Gericht, d.h. derzeit binnen ca. 9 Monaten. Bekommt man ein schriftliches Abstimmungsverfahren hin, geht es sogar noch schneller.

Ein Insolvenzplan ist zwar recht teuer, aber effizient, schnell und vor allem – sicher!

Mit der Gestaltung von Insolvenzplänen und der Vorbesprechung mit dem Gericht wird meine Kanzlei gerne betraut. Bei der betriebwirtschaftlichen Sanierung im Rahmen des Insolvenzplans wird die Kanzlei unterstützt von dem Sachverständigen, Herrn Dipl. Kfm. Jens Jäger https://www.svk-jaeger.de/ueber-uns/ und von der Fa. Aton advisors https://www.aton-advisors.de/d

Das außergerichtliche Restrukturierungsverfahren, Änderungen der Insolvenzordnung u.a.

Am 18./19.02.2021 hat unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Dr. Georg Bitter eine Online-Veranstaltung des Zentrum für Insolvenz und Sanierung der Universität Mannheim stattgefunden, die sich schwerpunktmäßig mit den Änderungen der Insolvenzordnung befasst hat, die seit dem 1.1.2021 in Kraft getreten sind. StaRuG, COVInsAG, SanInsFoG – in der Veranstaltung wurde das Ausmaß der Änderungen deutlich, die – vor allem im Hinblick auf Ausnahmen-Ausnahmen und Zeitraum-Regelungen – auch für Fachleute kaum noch zu überblicken sind.

Die Grundzüge der Neuerungen wurden von dem Autor im Justizministerium, Herrn Bornemann, vorgestellt. Sodann ging es um Themen wie

  • die Eigenverwaltung nach neuem Recht, die erheblich erschwert wurde,
  • das Restrukturierungsverfahren, seine Chancen und (Un-)Möglichkeiten,
  • die Auswirkung auf Verträge
  • die Erwartung der Beteiligten an die neuen/alten Restrukturierungsrichter*innen
  • die Anfechtungs“privilegien“ und ihre Unklarheiten sowie

last but not least

  • die Pflichten und die Haftung der Geschäftsführer nach den neuen Regeln.

Gerade zu letzterem Punkt wurde deutlich, wie gut ein Geschäftsführer orientiert sein muss, um in der Krise seines Unternehmens unbeschadet und straffrei zwischen Skylla und Charybdis hindurch zu navigieren.

Letztlich war das Auditorium sich darüber einig, dass die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ihre Rolle künftig wesentlich ernster nehmen müssen, indem sie ihre Klienten auch ohne besonderen Beratungsvertrag auf mögliche Insolvenzantragspflichten hinweisen müssen.

An dieser Stelle werden in Zukunft einzelne Beiträge zu den brisatnen Themen erscheinen.

Hier ist noch das Programm der sehr aufschlussreichen Veranstaltung:

https://www.uni-mannheim.de/zis/veranstaltungen/sonderveranstaltung-zur-reform-2021/

Insolvenzantrag: Aussetzung in Corona-Krise!

Das Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) v. 26.03.2020: – Änderungen des Insolvenzrechts aufgrund der Coronakrise –

Kurz nach dem wirtschaftlichen close-down aufgrund der Corona-Pandemie werden viele finanziell schwächelnde Unternehmen endgültig zahlungsunfähig und überschuldet sein und vom Markt verdrängt werden. Aber auch viele gesunde Unternehmen werden zahlungsunfähig oder/und – durch die erleichterte Kreditaufnahme über die KfW-Bank – überschuldet.
Für die Gruppe der gesunden Unternehmen – und nur für diese – hat der Deutsche Bundestag am 26.03.2020 in seinem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie u.a. auch die Insolvenzordnung vorübergehend geändert. Die Entlastung beruht auf 3 Säulen:

1. Zum einen wurde die Insolvenzantragspflicht für Ereignisse ab dem 01.03. bis zum 30.09.2020 ausgesetzt,
2. Zum anderen wurde die Haftung der Geschäftsführer für Zahlungen, die er im Zustand der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung der Gesellschaft veranlasst hat, abgemildert, und
3. schließlich wurde die Anfechtbarkeit von Rückzahlungen von sog. „Corona-Darlehen“ im Aussetzungszeitraum eingeschränkt.

Die Einschränkung der Anfechtbarkeit betrifft nur Rückzahlungen von Darlehen, die bis zum 30.09.2020 schon erledigt sind. Das wird kaum relevant sein.
In diesem Beitrag möchte ich deshalb nur auf die Punkte 1. und 2. eingehen.

1. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG:

§ 1 COVInsAG suspendiert die Insolvenzantragspflichten für Ereignisse zwischen dem 01.03. und dem 30.09.2020, aber nur unter folgenden Voraussetzungen:
a) Wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach dem 01.03.2020 eingetreten war und tatsächlich auf den Folgen der Corona-Pandemie „beruhte“ (wobei eine Mit-Verursachung ausreicht),
oder
b) wenn Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung zwar erst durch die Corona-Pandemie eingetreten sind, aber das Unternehmen auch nach dem close-down tatsächlich keinerlei (gemeint ist: „gar keine“!) Aussichten mehr auf eine Beseitigung der Krise hat.
Letzteres ist der Fall, wenn die Kredite, die jetzt aufgenommen und über die KfW-Bank verbürgt werden, auch bei regulärem Verlauf der Geschäftstätigkeit bis zum Tag der Fälligkeit aus der Handelsspanne gar nicht erwirtschaftet werden und deshalb aus den Überschüssen auch gar nicht zurück gezahlt werden können. Das wird bei vielen der KMU’s der Fall sein und drüber gibt eine Plan-GuV Auskunft.

Ob die Krise durch die Pandemie verursacht wurde, wird gesetzlich vermutet, wenn die Finanzlage des Unternehmens am 31.12.2019 noch gesund war. TEST:
– Sämtliche Verbindlichkeiten wurden nach Fälligkeit erfasst und konnten bis zum 31.12.2019 bei Fälligkeit bezahlt werden (also zumindest zu 90 % + 3 Wochen nach der jeweiligen Fälligkeit)
und
– die Bilanz war ausgeglichen und es bestand kein durch Eigenkapital nicht gedeckter Fehlbetrag.
Beides muss jetzt aber schleunigst dokumentiert werden, und zwar im Zweifel durch einen – gutachterlich bestätigten – Liquiditätsstatus und eine (Überschuldung-)Bilanz!

Stellt sich bei einer späteren Überprüfung nämlich heraus, dass die Krise tatsächlich im Januar oder Februar 2020 eingetreten war, ist die Vermutung widerlegt, und die Insolvenzantragspflicht blieb bestehen. Die Beweislast hat der Insolvenzverwalter, aber wenn es so war, kriegt der es auch raus. Also:
Auch die Monate 01. und 02.2020 müssen deshalb jetzt schleunigst erfasst werden, bei Unsicherheit wegen der Überschuldung muss eine Sonderbilanz aufgestellt und müssen die Fortführungsaussichten geprüft werden.

2. Aufrechterhaltung, aber Abmilderung der GF-Haftung nach § 64 GmbHG

Für die unternehmerische Praxis – und damit auch die Beratungspraxis – ist wohl die Abmilderung der Geschäftsführerhaftung nach § 64 GmbHG (sog. „Insolvenzverschleppungshaftung“) durch eine Beweiserleichterung für die Organe einer Gesellschaft der wichtigste und interessanteste Aspekt.

Hier gilt es zunächst, mit einem Missverständnis aufzuräumen:

Das COVInsAG entbindet den Geschäftsführer NICHT von der persönlichen Haftung nach § 64 GmbHG, und zwar auch dann nicht, wenn sein Unternehmen aufgrund des close-downs zahlungsunfähig geworden ist. Er muss dann lediglich keinen Insolvenzantrag stellen, OBWOHL sein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist!

Seine Geschäftsführung steht in dieser Zeit aber genauso unter besonderer Beobachtung wie wenn die Antragspflicht bestünde. D.H. er darf in der Zeit, in der er sonst den Antrag hätte stellen müssen, nicht einfach weiterwirtschaften, sondern hat in dieser Zeit die Geschäfte „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ zu führen, d.h., er darf das Haftungsvermögen für seine Gläubiger nicht schmälern, sonst haftet er persönlich.

Die Ausgangslage ist Folgende:
Ein Geschäftsführer macht sich dann persönlich haftbar, z.B. für Zahlungen aus dem Geschäftskonto oder aus der Kasse, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist; bei Überschuldung gilt dies nur, wenn das Unternehmen keine Aussichten auf Fortführung („going“) hat, d.h., wenn die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit innerhalb einer bestimmten Zeit nicht darstellbar ist (sog. „going concern“).
Der Geschäftsführer haftet dann für sämtliche Zahlungen, die er noch vom Geschäftskonto vorgenommen hat oder hat vornehmen lassen, und zwar mit seinem gesamten persönlichen Besitz.

Ausnahmsweise haftet der Geschäftsführer nicht, wenn bestimmte Zahlungen trotz Krise und Antragspflicht „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar“ waren. Er muss also im Nachhinein den Test bestehen, dass durch die Zahlungen das Vermögen seines Unternehmens (also die Aktivseite der Bilanz) ausgeglichen blieb oder sogar unmittelbar angereichert wurde – etwa durch Realisierung eines entsprechend höheren Umsatzes oder einer – wertstabilen! – Warenlieferung ins (mobile) Anlagevermögen oder in die Vorräte. Nur in diesem Fall und nur in Höhe dieser Zahlungen kann er sich ausnahmsweise entlasten und so die Haftung diesbezüglich vermeiden. Für diesen Umstand hat er aber die volle Beweislast.

Hier greift jetzt erst die Entlastung des Geschäftsführers durch das COVInsAG:
§ 2 des COVInsAG hilft ihm bei der Entlastung, indem es anordnet, dass die Zahlungen, die er in diesem Zustand der Zahlungsunfähigkeit und/ oder Überschuldung des Unternehmens veranlasst hat, als „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar“ GELTEN. Die Sorgfalt wird also „vermutet“.
Privilegiert sind daher vor allem die laufenden Kosten des Betriebes.

Vorsicht:
Bestand die Antragspflicht tatsächlich fort, wenn auch unerkannt, dann sind auch diese Kosten nicht automatisch privilegiert und der GF wird haften!
Nicht privilegiert sind auf jeden Fall sämtliche Zahlungen auf (Alt-) Forderungen, durch die KEIN Vermögen mehr zur Masse fließen wird, also
– Steuerrückstände ans Finanzamt,
– rückständiges Arbeitsentgelt,
– Alt-Forderungen von Lieferanten und Dienstleistern etc.
Diesen Umstand muss dann zwar der Insolvenzverwalter beweisen, aber das ist einfach.
Das bedeutet, das COVInsAG kehrt lediglich die Beweislast für die Vorwerfbarkeit der Zahlungen um – aber immerhin! Der Entlastungsbeweis, den der Geschäftsführer sonst immer selbst führen muss, gelingt ja nur in den seltensten Fällen, u.a. auch deshalb, weil der Geschäftsführer in der Krise meist keine Dokumentation vorgenommen hat.

Ausnahme von der Privilegierung:
Wird aber klar, dass das Unternehmen keine Chance hat, die wirtschaftliche Schieflage JEMALS wieder aufzuholen, dann greift die Privilegierung von Anfang an nicht ein, weil die Antragspflicht gar nicht suspendiert war und daher eine Pflichtverletzung vorlag! Das macht diese Regelung so gefährlich, denn das wird bei vielen KMU’s der Fall sein. Sie wissen es nur noch nicht, weil sie ihre Finanzlage nicht erfassen und dokumentieren!

Konsequenz:
Der Insolvenzantrag muss – wie immer – binnen 3 Wochen nach Eintritt dieses Zustandes gestellt werden. Nimmt der Geschäftsführer davon keine Kenntnis, dann trifft ihn die volle persönliche Haftung trotz aller Anstrengungen, sein Unternehmen „über Wasser“ zu halten. Persönliche Opfer werde nicht anerkannt, privates Geld, das eingeschossen wurde, kann nicht gegen gerechnet werden.
Sprich: Wenn er/sie einmal freiwillig gezahlt hat, muss er/sie eben zur Strafe nochmal zahlen.

Voraussetzung für die Entlastung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG:
Der Geschäftsführer ist nur dann entlastet, wenn die Antragspflicht suspendiert war, d.h. wenn sein Unternehmen am 31.12.2019 und danach noch bis zum 01.03.2020 nachweislich zahlungsfähig und nicht überschuldet war!
Diese Situation hat der Geschäftsführer später einmal zu beweisen.

Timing:
Die Entlastung gilt rückwirkend für die Verletzung von Antragspflichten, die im Zeitraum
vom 01.03.2020 bis zum 30.09.2020
bereits entstanden waren bzw. noch entstehen werden. Es ist als „maximale“ Zeitspanne formuliert, so dass eine Verlängerung eigentlich nicht in Betracht kommen sollte. Aber der Gesetzgeber kann seine eigenen Gesetze jederzeit selbst wieder aufheben und diese Frist nochmals verlängern. Die Verwendung des Wortes „maximal“ bedeutet, dass er sich genau das vorbehalten hat. Damit kann ein Geschäftsführer aber heute noch nicht planen.

Empfehlung:
Wenn Sie Geschäftsführer einer GmbH’s sind, die Opfer des close-down geworden ist (oder wenn Sie eine solche GmbH, AG u.a. als Steuerberater betreuen), und wenn Sie über die Befreiung von Ihrer Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG Sicherheit haben wollen, dann müssen Sie jetzt schleunigst
– zum 31.12.2019 und nochmals
– zum 29.02.2020
einen Liquiditätsstatus erstellen, der alle bis zu diesen Daten fälligen Verbindlichkeiten erfasst. Sie dürfen dabei 3 Wochen zugeben, müssen aber die in diesen 3 Wochen neu fällig gewordenen Verbindlichkeiten in den Status wieder einbeziehen.

Gleichzeitig müssen Sie
– zum 31.12.2019 und nochmals
– zum 29.02.2020
eine Überschuldung prüfen, also die Bilanz zum 31.12.2019 aufstellen (sollte das Unternehmen ein abweichendes Geschäftsjahr haben, müssen Sie eine Zwischenbilanz aufstellen). Ergibt sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag auf die Aktivseite der Bilanz, dann müssen Sie eine sog. „Überschuldungsbilanz“ aufstellen, in der bestimmte Werte aktiviert werden dürfen, die in einer Handels- und Steuerbilanz unberücksichtigt bleiben müssen. Damit kann nachgewiesen werden, dass tatsächlich KEINE Überschuldung besteht.
Bestand auch demnach eine Überschuldung, dann müssen Sie die Fortführungsaussichten („going concern“) prüfen, d.h. die Liquidität für eine Fortführung muss uneingeschränkt gegeben sein oder wieder hergestellt werden. Nur dann dürfen Sie nach Fortführungswerten bewerten, wodurch eine Überschuldung häufig beseitigt werden kann.
Sind Gesellschafterdarlehen auf der Passivseite ausgewiesen, dann müssen Sie JETZT den Rangrücktritt erklären, sonst belasten diese weiterhin die Passivseite der Bilanz.

Die Ergebnisse dieses Finanz-Status sollten gutachterlich bestätigt werden, damit Sie später Ihrer Beweislast nachkommen können.

All das ist jetzt teuer und kostet Zeit. Wenn Sie diesen Aufwand nicht treiben wollen, dann nutzen Sie die Gunst der Stunde und

STELLEN SIE EINEN INSOLVENZANTRAG!

Verbunden mit einem schlanken Insolvenzplan und ausgestattet mit einem frischen Startkapital können Sie in ein paar Monaten völlig entschuldet da weitermachen, wo ander endgültig aufhören müssen.

WIR BERATEN SIE DABEI.