EHV Bonn bestellt RA’in Brenner zur Vertragsanwältin für Insolvenzrecht

Bonn, den 05.05.2022 – Ich freue mich mitteilen zu dürfen, dass der #Einzelhandelsverband Bonn-Rhein/Sieg-Euskirchen mich zur Vertragsanwältin für Insolvenzrecht bestellt hat. Ich bin damit beauftragt, die Mitglieder des Verbands in allen Fragen zum Insolvenzrecht zu beraten, z.B.:

  1. bei der Forderungsanmeldung: Die Forderungsanmeldung und Überwachung der Insolvenztabelle führen wir im Auftrag des EHV für die Mitglieder kostenlos durch (die Gebühren trägt der EHV),
  2. bei der Durchsetzung Ihres Eigentumsvorbehalts und anderer Kreditsicherheiten unterstützen und vertreten wir Sie (auf die Gebühren erhalten Sie als EHV-Mitglied einen Rabatt von 10 %),
  3. ebenso bei der Vorbeugung und Abwehr von Insolvenzanfechtungen,
  4. bei der Weiterbelieferung vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens,
  5. bei der Identifizierung und Korrektur toxischer AGB-Klauseln
  6. und v.a.m.

Außerdem beraten wir Sie zu den Besonderheiten bei

  1. Eigenverwaltung,
  2. CovInsAG und
  3. außergerichtlichem Restrukturierungsverfahren (StaRUG)

Die Erstberatung ist für die Mitglieder kostenlos; der Verband übernimmt die Gebühr für seine Mitglieder. Falls ein Mandat zur Vertretung erteilt wird, erhalten Mitglieder einen gesonderten EHV-Rabatt in Höhe von 10 % auf die Gebühren.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit!

https://www.ehvbonn.de/der-verband/ihre-vorteile/

Restschuldbefreiungsverfahren wird verkürzt

Die Bundesregierung hat am 01.07.2020 eine Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von 6 auf 3 Jahre ab Eröffnung des Verfahrens beschlossen. Die im Jahr 2014 eingeführten Bedingungen für eine Verkürzung der Wohlverhaltensperiode (auf 3 Jahre bei Tilgung der Verfahrenskosten + 35 % der Verbindlichkeiten, auf 5 Jahre bei Tilgung der Verfahrenskosten) fallen demnach ersatzlos weg. Die Neuregelung wird für künftige Verfahren gelten, die ab dem 1.10.2020 beantragt werden. Es lohnt sich also, mit dem Antrag noch ein paar Monate zuzuwarten. Die Neuregelung war für Unternehmer und Selbständige geplant, sie gilt aber auch für Verbraucher; für Verbraucher wird es allerdings Sondervorschriften geben.

Die 3-Jahres-Regelung geht (mal wieder) auf eine EU-Richtlinie zurück, mit der ein unternehmerischer fresh-start ermöglicht werden soll. Allerdings wird der Eintrag im Schuldnerverzeichnis und bei der SCHUFA aber wohl weiterhin erst 3 Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung gelöscht werden, künftig also 6 Jahre nach der Eröffnung des Verfahrens, aber der fresh-starter wird weiterhin dauerhaft ohne Bankkredit auskommen müssen, denn das Negativ-Merkmal bleibt dauerhaft eingetragen.

Für einen unternehmerischen fresh-start ist die Verkürzung daher ungeeignet. Dafür muss es wesentlich schneller gehen. Wir empfehlen deshalb nach wie vor den Insolvenzplan als ad-hoc-Sanierungsinstrument, oder aber – noch besser – ein außergerichtliches Moratorium, weil dann erst gar keine Einträge erfolgen. Hierzu berät meine Kanzlei Sie gerne.

Hier sind die Einzelheiten des Regierungsentwurfs:

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Keine Anfechtung bei „schlüssigem“ Sanierungskonzept

Es kommt vor, dass Ihr Haus von einem guten Kunden um Forderungserlaß ersucht wird, meist kombiniert mit Raten- oder Teilzahlungen. In diese Planung sind häufig auch andere Gläubiger mit einbezogen (sog. „Moratorium“). Ab diesem Zeitpunkt haben Sie zweifellos positive Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit Ihres Kunden. Ab diesem Zeitpunkt müssen Sie sehr vorsichtig zu Wege gehen, und zwar sowohl wegen Ratenzahlungen auf Alt-Forderungen als auch wegen der Zahlungen auf laufende Fälligkeiten. In dieser Situation kommt dem Sanierungskonzept eine tragende Rolle zu, die ich Ihnen kurz vorstellen möchte:

Worum geht es?

Bei der Anfechtung, insbesondere der gefährlichen 4 – 10-Jahres-Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO kommt es darauf an, ob der Schuldner durch die Zahlungen an Sie andere Gläubiger schädigen wollte (oder die Schädigung zumindest mit Billigung in Kauf genommen hatte), und ob Sie das auch erkannt hatten.

Die entscheidende Frage lautet deshalb: „Reicht das Sanierungskonzept Ihres Kunden aus, damit Sie vor einer späteren Anfechtung der vereinbarten  (Teil-)Zahlungen sicher sein können?“ Diese Frage stellt sich jedes Mal, wenn Sie entscheiden müssen, ob Sie eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens begleiten und Ratenzahlungen und (Teil-)Erlassen zustimmen wollen oder nicht.

Benachteiligungsvorsatz des Schuldners

Der Schuldner durfte bei Zahlung auf keinen Fall eine Benachteiligung anderer – auch späterer – Gläubiger in Kauf genommen haben. Der BGH unterstellt einem Schuldner in der Krise allerdings STETS Benachteiligungsvorsatz. Dafür muss der Insolvenzverwalter nicht einmal etwas vortragen. Eine Zahlung im Zustand der Liquiditätsunterdeckung reicht dem BGH für diese Annahme aus. Er tut sich sehr schwer mit der Annahme, dass ein Schuldner im Einzelfall kein Problembewusstsein gehabt haben oder schlicht den Überblick verloren gehabt haben könnte. Statt – wie in § 133 Abs. 1 InsO verlangt – Vorsatz zu ermitteln, läßt der BGH den Fahrlässigkeitsvorwurf des § 64 GmbHG genügen („der GF hätte sich aus der Buchhaltung informieren müssen“). DAs ist zwar falsch, läßt sich aber niciht ändern. Dementsprechend sind seine Anforderungen an einen Gegenvortrag, warum der Schuldner ausnahmsweise einmal keinen Benachteiligungsvorsatz gehabt haben könnte, hoch.

Ein Schuldner könnte ausnahmsweise einmal KEINEN Benachteiligungsvorsatz gehabt haben, wenn er einen ernsthaften Sanierungsversuch unternimmt, so der BGH.

Aber wann genügt ein solcher Sanierungsversuch den (selbst aufgestellten) Anforderungen des BGH? Der BGH war in diesem Punkt bis dato nicht sehr klar. Die Aussage, dass das Sanierungskonzept nicht zwingend den IDW S6-Standard erreichen müsse (BGH, Urt. v. 12.05.2016), ist nicht hilfreich und stimmt – wie man inzwischen vermuten muss – so auch gar nicht. Denn der BGH führt weiter aus, das Sanierungskonzept müsse

  • schlüssig sein,
  • von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen,
  • eine begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigen, und vor allem
  • zumindest in den Anfängen bereits in die Tat umgesetzt sein.

Allerdings stecken hinter diesen Anforderungen höchst qualifizierte Feststellungen und Berechnungen, die eben doch eine Aufarbeitung nach dem IDW S6-Standard erfordern, um überzeugend zu sein. Schließlich muss hier wie dort alles schlüssig dokumentiert sein, um vor Gericht Stand zu halten.

In einem neueren Urteil vom 14.06.2018 wird der BGH etwas deutlicher: Das Sanierungskonzept muss Aussagen enthalten über

  • die Art und Höhe der Verbindlichkeiten und
  • die Art und Zahl der Gläubiger.

Außerdem müsse

  • die zur Sanierung erforderliche Quote der Forderungserlasse festgestellt werden.

Da regelmäßig nicht alle Gläubiger verzichten, müsse darüber hinaus

  • eine Zustimmungsquote nach Schuldenstand festgelegt werden, ggfls.
  • differenziert nach Gläubigergruppen.

Allein die Feststellung der „zur Sanierung erforderlichen Quote der Forderungserlasse“ setzt voraus, dass zum einen

  • die Verbindlichkeiten korrekt erfasst werden,

aber neben den Verbindlichkeiten eben auch

  • die zur Verfügung stehende Liquidität

korrekt erfasst wird. Im Liquidationsfall ist das relativ einfach, hier sind zusätzlich nur die anstehenden Liquidationskosten zu erfassen. Soll das Unternehmen aber fortgeführt werden, so kommt man um die Erfassung auch der laufenden Kosten und Einnahmen für einen gewissen Zeitraum  nicht herum. Das bedeutet, dass man für den gesamten Sanierungszeitraum eine sog. „prospektive Finanzflussrechnung“ aufstellen muss, weil die Sanierung sonst nicht nachhaltig dargestellt wird, und künftige Gläubiger eben doch geschädigt werden könnten.

In diesem Fall wären übrigens auch Bargeschäfte anfechtbar, u.U. auch Vorkasse-Geschäfte, weil der Ankauf von Waren für das Schuldnerunternehmen nicht nützlich war (und der Lieferant das ggfls. auch wußte).

Das Sanierungskonzept ist also nur dann ein Gegen-Indiz gegen den Benachteiligungsvorsatz des Schuldner-GF, wenn es tatsächlich die Vollerledigung der Alt-Verbindlichkeiten erreicht und gleichzeitig eine ausreichende Liquidität für eine Geschäftsfortführung ausweist.

Dabei ist besonders spannend, wie der BGH mit Umsatzprognosen umgehen würde, von denen jede Liquiditätsplanung bekanntlich ausgehen muss, und ob er sie als „tatsächliche Gegebenheiten“ anerkennen wird. Gerade Umsatzprognosen sind ja bekanntlich in gewisser Weise spekulativ („besonders, sofern sie sich auf die Zukunft beziehen“). Sie müssen deshalb, um die tatsächlichen Gegebenheiten wieder zu spiegeln, auf einer – zumindest kursorischen – (Absatz-)Marktanalyse beruhen.

Die Quotenermittlung erfordert also schon wegen der dazu notwendigen Liquiditätsermittlung eine Analyse der absatzmarktwirtschaftlichen, produktwirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Situation, mit sämtlichen arbeitsrechtlichen Zusatzkosten für allfälligen Personalabbau. Also doch IDW S6.

Die Kosten für eine solche Planung sind bekanntlich exorbitant hoch.

Bleibt der Schuldner hinter diesen Anforderungen zurück, so bleibt eine Schädigung künftiger Gläubiger immer noch möglich. Ist ihm das auch bewusst, dann hat es mit der Vermutung seines Schädigungsvorsatzes durch die Gerichte sein Bewenden.

Kenntnis des Gläubigers

Die zweite Voraussetzung der Vorsatzanfechtung ist, dass der Gläubiger vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners auch Kenntnis hatte. Angestrengtes Wegsehen hilft dabei nicht.

Der BGH unterstellt diese Kenntnis, sobald Ratenzahlungen nachgefragt werden, die auf einem Mangel an liquiden Zahlungsmitteln beruhen. Der Gesetzgeber hat in dem Anfechtungsreformgesetz von 2017 versucht, diese Vermutung aufzuheben, aber ob der BGH sich dadurch von seiner Vermutungsregel abhalten läßt erscheint mir sehr fraglich. D.h. der Gläubiger muss sich entlasten, also Gegenindizien vortragen. Ein schlüssiges Sanierungskonzept, das den o.a. Kriterien genügt, wäre ein solches Gegenindiz. Allerdings verlangt der BGH in seinem neueren Urteil, dass der Gläubiger der Ratenzahlung auf Basis und daher in Kenntnis des Sanierungskonzeptes zugestimmt hatte. Das ist insofern unsinnig, als es auf Kenntnis des Gläubigers nicht mehr ankommt, wenn der Schuldner-GF tatsächlich ein solches Konzept für sich aufgestellt und danach gehandelt hatte. Denn dann hatte der Schuldner-GF schon gar keinen Benachteiligungsvorsatz. Und von einem nicht existierenden Vorsatz kann der Gläubiger keine Kenntnis erlangen. Die Prüfung endet dann schon beim Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Kurz gesagt: Wo kein Vorsatz beim Schuldner, da keine Anfechtung beim Gläubiger.

Andererseits bedarf es eines sehr guten Kontaktes zum Schuldner-GF, um an solche Informationen zu gelangen, wenn diese dem Gläubiger bei Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung nicht vorgelegt wurden.

Beweislasten

Den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners muss der Insolvenzverwalter beweisen. Allerdings hilft der BGH dem Insolvenzverwalter insoweit großzügig mit Erfahrungssätzen, Indizien und Vermutungen. Dies ist zivilprozessual kritikwürdig, lässt sich aber nicht ändern.

Faktisch obliegt es also dem Gläubiger vorzutragen, dass der Schuldner-GF tatsächlich mit Gläubigergleichbehandlungswillen gehandelt hatte, etwa weil er ein Sanierungskonzept vorgelegt hatte. Dabei ist es sicherlich hilfreich, wenn dieses Konzept schlüssig war, wenn also die Höhe sämtlicher Zahlungen mit der Höhe der verfügbaren Liquidität übereinstimmte und die Verbindlichkeiten anschließend mit einer roten Null ausgewiesen werden. Ob die dahinter stehenden Erhebungen korrekt und vollständig waren, muss der Gläubiger nicht nachprüfen (offensichtliche Fehler vorbehalten). Der angreifende Insolvenzverwalter mag sodann im Wege der sekundären Darlegungs- und Beweislast darlegen und beweisen, dass sie tatsächlich falsch bzw. unvollständig waren, und der Gläubiger das auch wußte. Bei Ersterem hilft ihm sicherlich der Umstand, dass das Konzept nicht aufgegangen war, denn sonst wäre er nicht bestellt worden. Wenn die Fehler aber für den Gläubiger nicht offensichtlich waren, wird man sicher davon ausgehen müssen, dass der Gläubiger bei Entgegennahme der Zahlungen – zumindest bis zu einem bestimmten Zeitpunkt – wegen des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldner-GF gutgläubig war.

 

Sonstige Verteidigungsmöglichkeiten

Selbstverständlich haben Gläubiger auch außerhalb eines Sanierungskonzepts geeignete Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Anfechtung. Der verteidigende Anwalt hat dabei vornehmlich die Aufgabe, die Beweiskraft von Indizien, die für eine Kenntnis sprechen, im Prozess durch Gegenindizien zu entkräften. Die (entlastenden) Gegenindizien sollten die Beweiskraft von (belastenden) Indizien so stark abschwächen, dass die volle Beweislast des Insolvenzverwalters wieder auflebt. Dieser  muss dann mit den 3 einzig zulässigen Beweismitteln (Zeugen, Urkunden, Sachverständigengutachten) den Vollbeweis antreten, dass der Gläubiger positive Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldner-GF hatte. Im Idealfall kommt es zu einer Beweisnot des Verwalters („non-liquet“) und aufgrund dessen zu einer Klageabweisung.

Die Kanzlei BRENNER hat im Laufe der Jahre in Zusammenarbeit mit ihren Mandanten eine Reihe von entlastenden Gegen-Indizien erarbeitet, die im Einzelfall gegen eine Kenntnis der Gläubiger sprachen. Sie sind derzeit Gegenstand der Rechtsprechung.

 

Klage gegen Geschäftsführer abgewehrt – Kanzlei BRENNER vertritt Geschäftsführer im Rahmen einer Klage nach § 64 GmbHG.

Das LG Darmstadt – KfH – hat die Klage eines Insolvenzverwalters gegen den Geschäftsführer eines großen Druckereibetriebes in der Nähe von Offenbach wegen Insolvenzverschleppungshaftung nach § 64 GmbHG vollumfänglich abgewiesen. Da der Insolvenzverwalter die gesamte EDV-hardware verkauft und vor dem Verkauf weder Sicherungskopien gezogen noch die Festplatten ausgebaut und sichergestellt hatte, konnte der Geschäftsführer die Beweisführung für seine Verteidigung nicht erbringen.

Kanzlei BRENNER hatte zur Entlastung des Geschäftsführers korrekt und vollständig vorgetragen und Beweis angeboten. Die Kammer war der Ansicht, dass sich wegen der Vernichtung der Beweismittel die Beweislast zu Lasten des Insolvenzverwalters umgekehrt hatte. Da dieser – naturgemäß – ebenfalls keinen (Gegen-)Beweis antreten konnte, sahen die Richter es deshalb nicht als erwiesen an, dass die GmbH in dem streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich zahlungsunfähig war. Sie sahen es dagegen als erwiesen an, dass der Geschäftsführer die Aktivmasse im streitgegenständlichen Zeitraum durch die Fortführung des Betriebes im Vergleich zum Stichtag der angeblichen Antragspflicht vermehrt und auch den Verkaufswert des Unternehmens erheblich gesteigert hatte.

Die entsprechenden Daten konnten dem Eröffnungsgutachten des Insolvenzverwalters sowie den späteren Sachstandsberichten entnommen werden. Ob die einzelnen Zahlungsausgänge dafür kausal waren, unterlag der Beweislastumkehr und musste damit – zu Lasten des Klägers – offen bleiben.

Der Kläger hat Berufung eingelegt.

(LG Darmstadt, Az. 15 O 39/17, Urt. v. 28.05.2018)
(AG Offenbach, 8 IN 485/12)

„Si tacuisses!“ oder: „Wer im Glashaus sitzt, soll nicht so laut brüllen“

Bei der Forderungsdurchsetzung gegen einen akut insolvenzgefährdeten Geschäftspartner kann ein insolvenzrechtlich unerfahrener Anwalt nur Fehler machen. Dies hat jetzt ein Anleger-Anwalt erfahren, der sich mit dem Insolvenzrecht ganz offensichtlich nicht auskannte.

In einem vom BGH jetzt entschiedenen Schadensersatzfall eines Mandanten gegen seinen Anwalt ging es um eine Fondsgesellschaft, die ein Schneeballsystem entwickelt und damit eine Vielzahl von Anlegern vorsätzlich geschädigt hatte („Göttinger Gruppe“). Der betroffene Anwalt hatte das Mandat von einer Vielzahl von Anlegern, deren Interessen er gegenüber der Fondsgesellschaft zu vertreten hatte. Er war insbesondere beauftragt, längst überfällige Ausschüttungen zu realisieren. Für den hiesigen Kläger hatte er artig einen Auszahlungstitel erstritten. Anstatt aber dann auch gleich die Zwangsvollstreckung zu betreiben und auf die 3-monatige Anfechtungsfrist zu spekulieren, schloss er 4 Monate später und an Stelle der Zahlungen mit der Fondsgesellschaft eine Vertrag über Verpfändung von Aktien. Die Aktien wurden 1 Jahr später veräußert und seine Mandanten erhielten im Ergebnis € 5 Mio. ausgeschüttet, was aber nur einem Bruchteil der fälligen Forderungen entsprach.

Weitere 6 Monate später beantragte er für einen mitvertretenen Gläubiger deshalb die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Betrugsgesellschaft. In dem Antrag legte er ausführlich dar, dass und warum die Gesellschaft bereits seit mindestens 1 Jahr insolvenzreif war. Damit hatte er sich und seinen Anlegern ein doppeltes Grab geschaufelt:

  • Zum einen hätte er die Mandanten darauf aufmerksam machen und es ihnen überlassen müssen, ob sie die Kosten für die Titulierung trotzdem aufbringen wollten. Das hat jedenfalls der BGH in seinem Urteil vom 07.09.2017, Az. IX ZR 71/16 entschieden. Das ist jetzt nicht so furchtbar überraschend.
  • Viel schlimmer war die Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen. Das hätte er besser gelassen, denn dadurch hat er dem Insolvenzverwalter gegenüber dokumentiert, dass er bei Realisierung der € 5 Mio. bereits seit geraumer Zeit positive Kenntnis von der Zahlungseinstellung hatte. Diese Kenntnis wurde den Mandanten zugerechnet. Da die Verpfändung von Aktien an Stelle der Zahlungen des weiteren inkongrunet war, hatte er das Anfechtungsgrab für seine Anleger geschaufelt und der Insolvenzverwalter musste nur noch den Sargdeckel draufmachen.

„Die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen einerseits und von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen andererseits hat der Anwalt zu kennen“, so der BGH. Er hat den Fall zurückverwiesen, weil noch nicht geklärt war, ob eine zügige Zwangsvollstreckung ebenfalls zur alsbaldigen Insolvenzverfahren geführt hätte oder ob die Betrugsfirma zumindest noch die 3-Monatsfrist überlebt hätte. Die Fallgestaltung sprach dafür.

FAZIT:

Wer in der Insolvenznähe eines Schuldners taktische Anträge stellt, sollte sich besser sehr gut auskennen mit dem Insolvenzverfahren oder die Füße stillhalten. „Si tacuisses“, wie der Lateiner sagt, oder auf Deutsch: Schweigen wäre hier mal wieder Gold gewesen.

FG Münster v 07.09.2017: USt-Organschaft endet auch bei Eigenverwaltung mit der Bestellung des vorl. Sachwalters

USt-Organschaft endet auch im Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung (§ 270a InsO) bereits im Antragsverfahren, und zwar mit der Bestellung des vorl. Sachwalters, obwohl dieser noch weniger Geschäftsführungsbefugnisse hat wie der vorläufige Insolvenzverwalter im Regel-Antragsverfahren.

Das meint jedenfalls das FG Münster, Az. 5 K 3123/15 U, hat die Revision allerdings zugelassen:

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/muenster/j2017/5_K_3123_15_U_Urteil_20170907.html

Toys’R’Us beantragt Gläubigerschutz in USA und Canada

Der amerikanische Spielzeughersteller Toys’R’Us hat gestern abend an seinem Sitz in Wayne/New Jersey Gläubigerschutz nach Capter 11 des US Insolvency Code* beantragt, und das mitten in den Vorbereitungen für das Weihnachtsgeschäft. Das Unternehmen hat langfristige Verbindlichkeiten in Höhe von 5 Mrd. USD angehäuft, die es regulieren muss. Dafür hat es einen neuen Kredit über 3 Mrd. USD von seinen Hausbanken erhalten, um das Weihnachtsgeschäft zu finanzieren. Diese Kreditaufnahme muss allerdings noch von dem zuständigen Bundesgericht genehmigt werden, was allerdings als sicher gilt. Derweil kann das Unternehmen weiter am Markt operieren und braucht in dieser Periode keine Alt-Verbindlichkeiten zu zahlen, also auch keinen Kapitaldienst zu leisten.

Das Unternehmen ist im Besitz der beiden Investmentfonds KKR und Bain Capital, die das Unternehmen 2005 für 6,6 Mrd. USD übernommen hatten. Offenbar hatte der Kapitaldienst das Unternehmen derart ausgeblutet, dass es keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr hatte und „ausgebremst wurde“, so der managing director des größten Marken-Einzelhändlers, Dave Bandon. Das Management geht davon aus, dass das Unternehmen fortgeführt werden wird und die finanziellen Alt-Verpflichtungen so geregelt werden, dass das Unternehmen langfristig wirtschaftlich arbeiten kann. Das operative Geschäft außerhalb der USA und Canadas ist von der Insolvenz nicht betroffen.

Hier sind die Einzelheiten aus der französischen Presse:

http://www.lemonde.fr/entreprises/article/2017/09/19/le-geant-des-jouets-toys-r-us-se-declare-en-faillite_5187682_1656994.html

*Das Verfahren entspricht in etwa dem Schutzschirmverfahren nach § 270a der deutschen Insolvenzordnung, allerdings wird es im Unterschied zum deutschen verfahren vono einem amerikanischen Bundesgericht streng überwacht und die Entscheidungen des managements müssen gerichtlich genehmigt werden. In Deutschland ist eine gerichtliche Überwachung nicht vorgesehen.

Wann ist ein Bargeschäft trotz Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit unanfechtbar?

Nichts ist sicher im Insolvenzanfechtungsrecht, nicht einmal das Bargeschäft! Was der vorläufige Insolvenzverwalter darf, nämlich Einkäufe tätigen um den Betrieb einstweilen fortzuführen, darf der Schuldner noch lange nicht. Und büßen muss es der Lieferant, der am Ende kostenlos geliefert haben wird, ohne es zu wissen. Zwar entfällt beim Bargeschäft schon per definitionem die gläubigerbenachteiligende Wirkung (die ein zwingendes Tatbestandsmerkmal jeder Anfechtung ist und vom Insolvenzverwalter zu beweisen ist); denn ein Bargeschäft liegt erst dann vor, wenn eine wertausgleichende Zahlung für eine gleichwertige Lieferung geleistet wurde, und zwar zeitnah, also innerhalb des vereinbarten Zahlungsziels.

Trotzdem wurden auch Bargeschäfte regelmäßig angegriffen, und mit Erfolg: Der BGH hat den Regelsatz aufgestellt, dass die Gläubiger auch dann – mittelbar – benachteiligt werden, wenn der Wertausgleich der konkreten Transaktion zwar positiv ist, das Unternehmen aber nicht kostendeckend arbeitet und daher weitere Verluste macht (sog. „mittelbare“ Benachteiligung).

Das mag der Schuldner vielleicht wissen – und entsprechenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz haben -, aber was hat der Lieferant damit zu tun, der die finanziellen Verhältnisse und vor allem die Kalkulationsgrundlage seines Kunden in der Regel gar nicht kennt?

Ganz einfach: Der Lieferant muss ja nur die „drohende“ Zahlungsunfähigkeit kennen. Alles andere ergibt sich nach Auffassung des BGH von allein, denn die drohende Zahlungsunfähigkeit indiziert die gläubigerschädigende Wirkung der Zahlung, und auf den unmittelbaren Wertausgleich, also den bilanziellen „Aktiva-Tausch“ kommt es im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO ja nicht mehr an, der wurde ja bereits bei der Prüfung des Bargeschäfts geprüft und positiv beantwortet.

Jetzt hat der BGH hierzu eine Korrektur vorgenommen (Vorsicht: die Richter des BGH sprechen nie von „Korrektur“, immer nur von „Klarstellung“):

Ein Getränkehändler musste im März 2012 Insolvenz anmelden. Nach etlichen Rücklastschriften hatte der Lieferant ihn schließlich nur noch gegen Vorkasse beliefert und der Schuldner zahlte die Lieferungen – abweichend von der üblichen Abbuchung – bar. Der BGH hat bestätigt, dass der Lieferant ausreichende Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit hatte. Allerdings – so die Richter – musste sich ihm nicht unbedingt die mittelbare Benachteiligung durch die unrentable Fortführung des Unternehmens aufdrängen:

Während beim Schuldner das Bewusstsein vermutet wird:

„Auch im Falle eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausches wird sich der Schuldner der eintretenden mittelbaren Gläubigerbenachteiligung allerdings dann bewusst werden, wenn er weiß, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb bei der Fortführung seines Geschäfts mittels der durch bargeschäftsähnliche Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste anhäuft, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter mindern, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich besteht.“

muss der angreifende Verwalter dieses Bewusstsein beim Lieferanten vollumfänglich beweisen:

„Dem Gläubiger kann in diesem Fall wegen des gleichwertigen Leistungsaustauschs wie dem Schuldner trotz Kenntnis von dessen Zahlungsunfähigkeit die gläubigerbenachteiligende Wirkung der an ihn bewirkten Leistung nicht bewusst geworden sein. Die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO greift dann nicht ein. Der zweite Teil des Vermutungstatbestandes ist nicht erfüllt. Anders liegt es nur, wenn der Anfechtungsgegner weiß, dass der Schuldner unrentabel arbeitet und bei der Fortführung seines Geschäfts weitere Verluste erwirtschaftet. Dann weiß er auch, dass der bargeschäftsähnliche Leistungsaustausch den übrigen Gläubigern des Schuldners nicht nutzt, sondern infolge der an den Anfechtungsgegner fließenden Zahlungen Nachteile bringt.“

„Die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung hat der Insolvenzverwalter darzulegen und zu beweisen. Im Falle der Vorsatzanfechtung nach §133 Abs. 1 InsO gehört hierzu die Kenntnis des anderen Teils vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Beruft sich der Insolvenzverwalter auf die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO und steht, wie hier, ein bargeschäftsähnlicher Leistungsaustausch fest, ist die von der erkannten drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgehende Indizwirkung für die Kenntnis von einer Gläubigerbenachteiligung nicht gegeben. Es obliegt dann dem Verwalter, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass der Anfechtungsgegner von der Unwirtschaftlichkeit der Geschäftsfortführung des Schuldners wusste und deshalb nicht annehmen durfte, der Leistungsaustausch werde der Gläubigergesamtheit nutzen.“

„Wer’s nicht glaubt – Fußnote“:

BGH, Urt. v. 04-05-2017, IX_ZR_285/16 (Getränkehändler-Fall)

Die neue Europäische Insolvenzverordnung 848/2015 v. 20.05.2015 ist in Kraft!

Seit gestern gelten für crossborder-Insolvenzverfahren innerhalb der EU ganz neue Regeln. Sie gelten unmittelbar und müssen nicht extra in nationales Recht umgesetzt werden. Schauen Sie mal rein:

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R0848&from=DE

In Kürze erscheint an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung der neuen Regeln mit besonderem Augenmerk auf die Relevanz für Gläubiger. Bleiben Sie dran!

Vertragliche Lösungsklauseln für die Finanzindustrie (2)

Wie bereits berichtet, plant die Bundesregierung eine Änderung der Insolvenzordnung zu Gunsten der Finanzindustrie, indem vertragliche Lösungsklauseln für den Fall der Insolvenz des (Bank-)Kunden erlaubt werden sollen. Der BGH hatte gerade geurteilt, dass vertragliche Lösungsklauseln auch im Finanzsektor nicht insolvenzfest sind, da hatte die BaFin das Urteil durch Allgemeinverfügung bereits ausgesetzt. Verfassungswidrig, so die Professoren, die am 9.11.2016 im Deutschen Bundestag als Sachverständige zum 3. Insolvenzänderungsgesetz (Erlaubnis insolvenzfester Lösungsklauseln für die Finanzindustrie) angehört wurden. Auch der Entwurf selbst erfuhr harsche Kritik durch die Hochschul-Elite. Prof. Paulus (Humboldt-Universität, Berlin) sprach von einem „massiven Lobbyismus“ der Finanzdienstleister, der keine Rechtfertigung finde. Prof. Köndgen, (Rhein. Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn) prangerte das Privileg ausgerechnet für Banken und noch dazu „zu Lasten einfacher Insolvenzgläubiger“ an. Es sei „keine besonders starke Begründung“, dass mit der Gesetzesänderung das Insolvenzrecht „an die Vertragspraxis angepasst werden“ solle. Da im Übrigen gar nicht klar geregelt sei, dass das Privileg tatsächlich nur die Finanzindustrie betreffe, befürchtet er, dass dies der Dammbruch für Privilegien weiterer, systemrelevanter Industrien sein wird: erst Strom, dann Rohstoffe: „Dann ist da kein Halten mehr.“ Nicht unsonst war ein Vertreter des Gas- und Stromverbandes bereits anwesend.

Prof. Lucas Flöther, Insolvenzverwalter, findet den Entwurf „sehr gelungen“, unbestimmte Rechtsbegriffe seien nun mal nicht zu vermeiden. Merkwürdig, denn mit der Zulassung vertraglicher Lösungsklauseln soll die Insolvenzmasse ja erheblich verkürzt werden.

Prof. Thole (Albert-Magnus-Unviersität, Köln) fand den Entwurf ebenfalls prima, machte sich allerdings auch für eine klare Wortwahl stark, damit andere Branchen nicht mit „durchschlüpfen“ würden.

Weil es die anderen aber auch so machen, und weil es somit um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bankenstandorts geht, wird das Gesetz aber wohl verabschiedet werden – Gläubigergleichbehandlung hin oder her.

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