Vertragliche Lösungsklauseln („Close-out-netting-clauses“ oder „Liquidations-Netting“) für Banken auf dem Prüfstand, Änderung § 104 InsO geplant: Erhalten die Banken dadurch einen Vorteil im Anfechtungsrecht?

Der Deutsche Bundestag befasst sich derzeit mit der Wirksamkeit von vertraglichen Vertragsbeendigungs- (Lösungs-)klauseln für den Fall der Insolvenz. Gem. § 103 InsO liegt die Entscheidungskompetenz über die Fortsetzung beidseits unerfüllter Verträge ausschließlich in der Hand des Verwalters. Denn solange die Fortführung des Unternehmens noch in Rede steht und der Vertrag hierfür benötigt wird, soll eine Sanierung nicht durch Aufhebung der laufenden Verträge gefährdet werden. Solange die Verträge erfüllt werden, soll sich der andere Vertragspartner nicht einseitig daraus verabschieden können. Gem. § 119 InsO sind vertragliche Lösungsklauseln, die an die Insolvenz des Vertragspartners anknüpfen, deshalb unwirksam, denn dort heißt es: „Vereinbarungen, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 ausgeschlossen oder beschränkt werden soll, sind unwirksam.“. Der BGH hat dies in ständiger Rechtsprechung bestätigt, zuletzt mit Urteil vom 9. Juni 2016 – IX ZR 314/14.

Nun sollen diese Lösungsklauseln für Banken generell zugelassen werden. Diese möchten im Insolvenzfall den Vertrag per AGB automatisch beendet wissen und die wechselseitigen Forderungen, z.B. im Kontokorrent, automatisch saldieren dürfen, und zwar außerhalb der Abrechnungsperiode, also vorzeitig. Das ist aus Bankensicht sinnvoll, denn der Giro-Vertrag wird zur Fortführung des Unternehmens nicht mehr benötigt. Außerdem brauchen die Banken dann nur den tatsächlichen Saldo mit Eigenkapital zu hinterlegen. Ferner ist es im internationalen Bankengeschäft durch die wechselseitigen Inter-Banken-Geschäfte offenbar auch notwendig, einheitliche netting-Konditionen zu haben, die sich bis auf den Kunden durchschlagen. Allerdings regieren sie dadurch in die Masse hinein, was gem. § 104 InsO verboten ist. Deshalb jetzt die Änderung.

Die Banken haben darüber hinaus aber einen weiteren, nicht unerheblichen Vorteil, der im Anfechtungsrecht liegt: Wird der Vertrag ohne Kündigung automatisch beendet, dann dürfen die Banken auch außerhalb der Abrechnungsperiode saldieren und ihre Forderungen damit vorab und unter Umgehung der Quotenverteilung realisieren. Dieser Vorgang wäre dann nicht mehr ohne Weiteres anfechtbar, denn die Bank hätte dann nicht mehr vorzeitig, also zur Unzeit saldiert.
Wenn § 104 InsO also für Banken geändert wird, dann sollte der Gesetzgeber zumindest den Anfechtungsvorteil, den diese dadurch erhalten, durch eine entsprechenden Hinweis verhindern, nämlich, dass die Saldierung anfechtungsrechtlich so zu behandeln ist als wäre sie vorzeitig erfolgt.

Der Gesetzentwurf ist am 20.10.2016 in 1. Lesung an die Ausschüsse verwiesen worden; die Sachverständigenanhörung ist für den 6.11.2016 anberaumt und die Verabschiedung des Gesetzes ist bis zum 31.12.2016 geplant, denn dann läuft die entsprechende Vorwegnahmeregelung des BaFin aus.

Hier finden Sie den Regierungsentwurf:
http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2016/0501-0600/548-16.pdf;jsessionid=D78781C4F4E185FF1EE32A48C41CB43D.2_cid374?__blob=publicationFile&v=1

Hier finden Sie den Beitrag von Herrn Prof. Dr. Heribert Hirte, MdB, in der 1. Lesung:
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18196.pdf#P.19608

Hier finden Sie die übrigen Stellungnahmen:
http://www.heribert-hirte.de/berlin/ausschuesse/88-ausschuess/images/Gesetzesvorhaben/Close-Out-Netting/VerbndebriefClose-Out-Netting_fin_10102016.pdf

Vertragliche Lösungsklauseln („Close-out-netting-clauses“ oder „Liquidations-Netting“) für Banken auf dem Prüfstand, Änderung § 104 InsO geplant: Erhalten die Banken dadurch einen Vorteil im Anfechtungsrecht? Zuletzt aktualisiert: 08.07.2018 von Barbara Brenner

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